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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Himmel kennt keine Guenstlinge
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sieb­zehn Kon­kur­ren­ten, dach­te er, als er einen zwei­ten Wa­gen ne­ben
dem Mi­cot­tis am La­ger hal­ten sah. Der Renn­lei­ter si­gna­li­sier­te ihm, einst­wei­len
nicht an­zu­grei­fen; wahr­schein­lich lie­fer­ten sich Fri­ge­rio und Mar­chet­ti, die
sich nicht lieb­ten, ei­ne Schlacht un­ter sich auf Kos­ten der Fir­ma, an­statt im
Team Dis­zi­plin zu hal­ten, und der Renn­lei­ter woll­te Cler­fa­yt und Mey­er III in
Re­ser­ve hal­ten, falls die Spit­zen­fah­rer ih­re Wa­gen rui­ni­er ten.
    Lil­li­an sah die
Meu­te je­des Mal in we­ni­ger als zwei Mi­nu­ten an den Tri­bü­nen vor­über­ra­sen. Wenn
man die Wa­gen ge­ra­de ge­se­hen hat­te und einen Mo­ment bei­sei­te blick­te, wa­ren sie
schon wie­der da, ein we­nig un­ter­schie­den in der Plat­zie­rung, aber fast so, als
wä­ren sie nie weg­ge­we­sen. Es war, als schö­be man nur die Glas­p­lat­te ei­ner
Ca­me­ra má­gi­ca hin und her, vor und zu­rück. Wie kön­nen sie nur die hun­dert
Run­den zäh­len? dach­te sie. Dann er­in­ner­te sie sich an den be­ten­den,
schwit­zen­den und flu­chen­den Renn­lei­ter, der ih­nen Schil­der und Fah­nen
hin­aus­hielt, die er nach ei­nem Ge­heim­co­de schwenk­te und aus­wech­sel­te.
    Nach vier­zig Run­den
woll­te sie ge­hen. Ihr war, als soll­te sie jetzt, jetzt gleich ab­rei­sen, be­vor
das Ren­nen zu En­de war. Die Aus­sicht, noch wei­te­re sech­zig Ma­le die ge­rin­gen
Ver­schie­bun­gen im Fel­de zu se­hen, kam ihr als ei­ne ähn­li­che Zeit­ver­schwen­dung
vor wie die Stun­den vor ih­rer Ab­rei­se aus dem Sa­na­to­ri­um. Sie hat­te ein Bil­lett
nach Zü­rich in der Ta­sche. Sie hat­te es mor­gens ge­kauft, als Cler­fa­yt noch
ein­mal die Renn­stre­cke ab­ging. Es war für den über­nächs­ten Tag. Cler­fa­yt muß­te
dann nach Rom flie­gen. Er woll­te zwei Ta­ge spä­ter zu­rück sein. Das Flug­zeug
ging mor­gens; der Zug abends. Wie ein Dieb, dach­te sie, wie ein Ver­rä­ter
schlei­che ich mich weg. Eben­so wie ich mich im Sa­na­to­ri­um von Bo­ris ha­be
weg­schlei­chen wol­len. Sie hat­te dann doch mit Bo­ris spre­chen müs­sen, aber was
hat­te es genützt? Im­mer wur­den nur die falschen Wor­te ge­sagt, im­mer log man,
denn die Wahr­heit war ei­ne un­nüt­ze Grau­sam­keit, und im­mer war das En­de
Bit­ter­keit und Ver­zweif­lung dar­über, daß man nicht an­ders konn­te und daß nun
die letz­te Er­in­ne­rung nur die an Streit, Miss­ver­ständ­nis und Hass war. Sie
such­te in der Ta­sche nach ih­rem Fahr­heft. Einen Au­gen­blick glaub­te sie es
ver­lo­ren zu ha­ben. Die­ser Au­gen­blick ge­nüg­te, um sie wie­der fest zu ma­chen. Sie
frös­tel­te in der war­men Son­ne. Ich ha­be Fie­ber, dach­te sie und hör­te die Men­ge
um sich her­um schrei­en. Un­ten am blau­en Spiel­zeug­ha­fen mit den wei­ßen Jach­ten,
auf de­nen die Men­schen dicht­ge­drängt stan­den, zog das Feld vor­über, und ei­nes
der klei­nen Spiel­zeu­g­au­tos schob sich seit­lich und preß­te sich an ei­nem an­de­ren
vor­bei. »Cler­fa­yt!« ju­bel­te ei­ne di­cke Da­me ne­ben ihr und klatsch­te sich mit
dem Pro­gramm auf die pral­len Schen­kel un­ter dem Lei­nen­kleid. »The son of a gun
ma­de it!«
    Cler­fa­yt hat­te sich ei­ne
Stun­de spä­ter bis zum zwei­ten Platz vor­ge­ar­bei­tet. Er jag­te jetzt kalt und
er­bar­mungs­los Mar­chet­ti. Er woll­te ihn noch nicht über­ho­len – das hat­te
Zeit bis nach der acht­zigs­ten Run­de, ja bis zur neun­zigs­ten –, er woll­te
ihn nur ja­gen, bis er ner­vös wür­de, ein paar Me­ter hin­ter ihm, im­mer im
glei­chen Ab­stand. Er woll­te nicht noch ein­mal die Chan­ce neh­men, sei­nen Mo­tor
zu über­dre­hen – er woll­te das Mar­chet­ti tun las­sen, und Mar­chet­ti tat es
ein­mal, oh­ne daß ihm et­was an der Ma­schi­ne pas­sier­te, aber Cler­fa­yt spür­te, daß
er un­ru­hig wur­de, als er da­mit nichts er­reich­te. Mar­chet­ti be­gann jetzt, die
Stra­ße und die Kur­ven zu blo­ckie­ren; er woll­te Cler­fa­yt nicht vor­bei­las­sen.
Cler­fa­yt mach­te ein paar Mal ein Ma­nö­ver, als wol­le er über­ho­len, oh­ne es
wirk­lich zu ver­su­chen; er er­reich­te da­mit, daß Mar­chet­ti schär­fer auf ihn
ach­te­te

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