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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Himmel kennt keine Guenstlinge
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auf dem We­ge zum La­ger; viel­leicht hat­te man ihn da­hin
ge­bracht. Er wür­de auf ei­ner Bah­re lie­gen, die Schul­ter ver­letzt oder den Arm,
wie bei der Tar­ga Flo­rio, und über sein Un­glück la­chen.
    »Er ist ins
Hos­pi­tal ge­bracht wor­den«, sag­te der Renn­lei­ter schwit­zend. »Hei­li­ge Mut­ter
Got­tes, hei­li­ger Chri­sto­phe­rus, warum das ge­ra­de uns! Warum nicht der
Kon­kur­renz oder – was? Einen Mo­ment!« Er stürz­te weg, um zu si­gna­li­sie­ren.
Die Wa­gen schos­sen vor­bei, sie sa­hen so na­he grö­ßer und ge­fähr­li­cher aus, und
ihr Don­nern füll­te al­les aus. »Was ist ge­sche­hen?« rief Lil­li­an. »Las­sen Sie
Ihr ver­damm­tes Ren­nen zum Teu­fel ge­hen und sa­gen Sie mir, was ge­sche­hen ist!«
    Sie blick­te sich
um. Nie­mand sah sie an. Die Mon­teu­re be­schäf­tig­ten sich mit Er­satz­tei­len und
Rei­fen und ver­mie­den es, auf­zu­bli­cken. Wenn sie sich je­mand nä­her­te, rück­te er
weg. Es war, als hät­te sie die Pest.
    Der Renn­lei­ter kam
end­lich zu­rück. »Es hilft Cler­fa­yt nicht, ob ich das Ren­nen zum Teu­fel ge­hen
las­se oder nicht«, sag­te er hei­ser. »Er wür­de es auch nicht wol­len. Er wür­de
wol­len ...«
    Lil­li­an un­ter­brach
ihn. »Wo ist er? Ich will kei­ne Pre­digt über den Eh­ren­ko­dex der Renn­fah­rer!«
    »Im Hos­pi­tal. Man
hat ihn so­fort ins Hos­pi­tal ge­bracht.«
    »Warum ist nie­mand
bei ihm, um ihm zu hel­fen? Sie nicht? Warum sind Sie hier?«
    Der Renn­lei­ter sah
sie ver­ständ­nis­los an. »Wie soll ich ihm denn hel­fen? Oder ir­gend je­mand hier?
Das müs­sen doch jetzt die Ärz­te tun.«
    Lil­li­an schluck­te.
»Was ist ihm pas­siert?« frag­te sie lei­se.
    »Das weiß ich
nicht. Ich ha­be ihn nicht ge­se­hen. Wir wa­ren al­le hier. Wir muß­ten doch hier
blei­ben.«
    »Ja«, sag­te
Lil­li­an. »Da­mit das Ren­nen wei­ter­geht.«
    »Das ist nun ein­mal
so«, er­wi­der­te der Renn­lei­ter hilf­los. »Wir sind al­le nur An­ge­stell­te.«
    Ein Mon­teur kam
ei­lig her­an. Das Grol­len der Wa­gen schwoll ge­ra­de an. »Si­gno­ri­na –«, der
Renn­lei­ter spreiz­te sei­ne Hän­de und sah zur Bahn. »Ich muß ...«
    »Ist er tot?«
frag­te Lil­li­an.
    »Nein, nein!
Be­wusst­los. Die Ärz­te – ich muß lei­der, Si­gno­ri­na ...«
    Der Renn­lei­ter
griff ein Schild von ei­ner Kis­te und stürz­te fort, um sei­ne Zei­chen zu ge­ben.
Lil­li­an hör­te ihn schrei­en: »Ma­don­na, Ma­don­na, warum das mir, ver­fluch­tes Öl,
ver­damm­tes, ver­fluch­tes Öl!« Er hielt sein Schild ir­gend je­mand hin, wink­te,
hielt ei­ne Hand hoch und blieb ste­hen, ob­schon die Her­de vor­bei war, und
starr­te an­ge­strengt auf die Stra­ße und woll­te nicht zu­rück.
    Lil­li­an wand­te sich
lang­sam zum Ge­hen. »Wir kom­men – nach dem Ren­nen, Si­gno­ri­na«, flüs­ter­te
ei­ner der Mon­teu­re. »So­fort nach dem Ren­nen!«
    Der
schwar­ze
Bal­da­chin des Lärms hing wei­ter über der Stadt, als sie zum Hos­pi­tal fuhr. Sie
hat­te nur ei­ne der Pfer­de­drosch­ken ge­fun­den, die mit Fah­nen, bun­ten Bän­dern und
ei­nem Stroh­hut für den Pfer­de­kopf auf­ge­putzt wa­ren. »Es dau­ert län­ger als
sonst, Ma­de­moi­sel­le«, er­klär­te ihr der Kut­scher. »Wir müs­sen weit her­um­fah­ren.
Die Stra­ßen sind ab­ge­sperrt. Das Ren­nen, Sie ver­ste­hen ...«
    Lil­li­an nick­te. Sie
saß, ein­gehüllt in Schmerz, der kein Schmerz zu sein schi­en, son­dern ei­ne
dump­fe Qual, die durch Be­täu­bungs­mit­tel ab­ge­schwächt wor­den war. Nichts
funk­tio­nier­te in ihr ganz, nur die Oh­ren und die Au­gen, die die Mo­to­ren hör­ten
und die Wa­gen sa­hen, klar, über­scharf und kaum er­trag­bar. Der Kut­scher
schwätz­te und woll­te ihr die Aus­sichts­punk­te zei­gen. Sie hör­te es nicht; sie
hör­te nur die Mo­to­ren. Je­mand ver­such­te, die Drosch­ke an­zu­hal­ten und sie
an­zu­spre­chen. Sie ver­stand nicht, was er sag­te, und ließ hal­ten. Sie dach­te, er
hät­te ei­ne Nach­richt von Cler­fa­yt. Der Mann, ein Ita­lie­ner in weißem An­zug mit
ei­nem dün­nen schwar­zen Schnurr­bart, lud sie zum Abendes­sen ein. »Was?« frag­te
sie ver­ständ­nis­los. »Was sonst?«
    Der Mann lä­chel­te.
»Es kann mehr

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