Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Himmel kennt keine Guenstlinge
Vom Netzwerk:
wer­den. Das liegt an Ih­nen.«
    Sie gab kei­ne
Ant­wort. Sie sah den Mann nicht mehr. Ih­re Au­gen lie­ßen ihn fal­len. Er wuß­te
nichts von Cler­fa­yt. »Wei­ter!« sag­te sie zu dem Kut­scher. »Schnel­ler!«
    »Die­se Ka­va­lie­re
ha­ben al­le kein Geld«, er­klär­te der Kut­scher. »Sie hat­ten recht, ihn
ab­zu­wei­sen. Wer weiß, viel­leicht hät­ten Sie noch das Di­ner be­zah­len müs­sen.
Äl­te­re Her­ren sind zu­ver­läs­si­ger.«
    »Schnel­ler!« sag­te
Lil­li­an.
    »Sehr wohl!«
    Es dau­er­te end­los,
bis sie vor dem Hos­pi­tal hiel­ten. Lil­li­an hat­te vie­le Ge­lüb­de in der
Zwi­schen­zeit ge­tan, von de­nen sie glau­ben woll­te, daß sie sie hal­ten wür­de. Sie
woll­te nicht ab­rei­sen, sie woll­te blei­ben, sie woll­te Cler­fa­yt hei­ra­ten, er
soll­te nur le­ben! Sie mach­te die­se Ge­lüb­de und ließ sie wie Stei­ne in einen
Teich sin­ken, oh­ne dar­über nach­zu­den­ken.
    »Herr Cler­fa­yt ist
im Ope­ra­ti­ons­zim­mer«, sag­te die Emp­fangs­schwes­ter.
    »Kön­nen Sie mir
sa­gen, wie er ver­letzt ist?«
    »Ich be­daue­re. Sind
Sie Ma­da­me Cler­fa­yt?«
    »Nein.«
    »Ver­wandt?«
    »Was hat das da­mit
zu tun?«
    »Nichts,
Ma­de­moi­sel­le. Ich bin nur si­cher, daß nach ei­ner Ope­ra­ti­on höchs­tens die
nächs­ten Ver­wand­ten einen Au­gen­blick zu­ge­las­sen wer­den.«
    Lil­li­an starr­te die
Schwes­ter an. Soll­te sie sa­gen, daß sie mit Cler­fa­yt ver­lobt sei? Wie ab­surd
das war! »Muß er ope­riert wer­den?« frag­te sie.
    »Es scheint so;
sonst wä­re er nicht im Ope­ra­ti­ons­zim­mer.«
    Ei­ne von de­nen, die
mich nicht lei­den kön­nen, dach­te Lil­li­an ir­ri­tiert. Sie hat­te Er­fah­rung mit
Schwes­tern.
    »Kann ich war­ten?«
frag­te sie.
    Die Schwes­ter wies
auf ei­ne Bank. »Ha­ben Sie kein War­te­zim­mer?« frag­te Lil­li­an.
    Die Schwes­ter
deu­te­te zu ei­ner Tür. Sie ging in ein Zim­mer, in dem mü­de Blatt­pflan­zen
stan­den, al­te Ma­ga­zi­ne her­um­la­gen und Flie­gen einen Flie­gen­fän­ger um­summ­ten,
der von der De­cke über den Tisch hing. Der Lärm der Mo­to­ren war auch hier zu
hö­ren, ge­dämpft, wie fer­nes, ra­sen­des Trom­meln, aber er war da.
    Die Zeit wur­de
kleb­rig wie der Flie­gen­fän­ger, auf dem die Flie­gen einen lang­sa­men Fol­ter­tod
star­ben. Lil­li­an starr­te auf die ab­ge­grif­fe­nen Ma­ga­zi­ne, sie öff­ne­te und schloß
sie, sie ver­such­te zu le­sen und konn­te es nicht, sie stand auf und ging ans
Fens­ter und setz­te sich wie­der. Das Zim­mer roch nach Angst, nach all der Angst,
die in ihm schon aus­ge­strahlt wor­den war. Sie ver­such­te, das Fens­ter zu öff­nen,
aber sie schloß es wie­der, weil das Grol­len der Mo­to­ren so­fort stär­ker
hin­ein­drang. Nach ei­ner Wei­le kam ei­ne Frau mit ei­nem Kind her­ein. Das Kind
be­gann zu schrei­en, die Frau öff­ne­te ih­re Blu­se und ließ es trin­ken. Das Kind
schmatz­te und schlief ein. Die Frau lä­chel­te scheu zu Lil­li­an hin­über und
knöpf­te ih­re Blu­se wie­der zu.
    Ein paar Mi­nu­ten
spä­ter öff­ne­te die Schwes­ter die Tür. Lil­li­an stand auf, aber die Schwes­ter
be­ach­te­te sie nicht; sie nick­te der Frau mit dem Kind zu, mit ihr zu kom­men.
Lil­li­an setz­te sich wie­der. Plötz­lich horch­te sie auf. Ir­gend et­was hat­te sich
ver­än­dert. Sie fühl­te es im Nacken. Ei­ne Span­nung hat­te nach­ge­las­sen; et­was war
lo­se ge­wor­den. Es dau­er­te ei­ne Wei­le, be­vor sie merk­te, daß es die Stil­le war.
Der Lärm der Mo­to­ren hat­te auf­ge­hört. Das Ren­nen war vor­über.
    Ei­ne Vier­tel­stun­de
spä­ter sah sie einen of­fe­nen Wa­gen mit dem Renn­lei­ter und zwei Mon­teu­ren
her­an­kom­men und hal­ten. Die Emp­fangs­schwes­ter brach­te sie in das War­te­zim­mer.
Be­drückt stan­den sie her­um.
    »Ha­ben Sie et­was
er­fah­ren?« frag­te Lil­li­an.
    Der Renn­lei­ter wies
auf den jün­ge­ren Mon­teur. »Er war da, als man ihn los­mach­te.«
    »Er blu­te­te aus dem
Mund«, sag­te der Mon­teur.
    »Aus dem Mund?«
    »Ja. Es war wie ein
Blut­sturz.«
    Lil­li­an sah den
Mann an. Was war das für ein grau­en­haf­ter Irr­tum? Ein Blut­sturz ge­hör­te zu ihr,
nicht zu Cler­fa­yt. »Wie konn­te er

Weitere Kostenlose Bücher