E.M. Remarque
dich
unendlich!«
»Ich dich auch,
Clerfayt.«
Er schloß die Tür
behutsam hinter sich. Zum ersten Mal wie bei einer Kranken, dachte sie und
setzte sich erschöpft aufs Bett.
Das Fenster stand
offen. Sie sah ihn zum Strand hinuntergehen. Nach dem Rennen, dachte sie. Ich
werde packen müssen und nach dem Rennen wegfahren, wenn er nach Rom muß. Noch
die paar Tage, dachte sie. Sie wußte nicht, wohin sie fahren sollte. Es war
auch gleichgültig. Sie mußte nur fort.
20
D ie
Strecke
war nur etwas über drei Kilometer lang, aber sie führte durch die Straßen Monte
Carlos, mitten durch die Stadt, um den Hafen herum, über den Kasinoberg und
zurück. Sie war an vielen Stellen kaum breit genug zum Überholen und bestand
fast nur aus Kurven, Doppelkurven, Haarnadelkurven und Spitzkehren. Hundert
Runden mußten gefahren werden, über dreihundert Kilometer, das hieß viele
zehntausend Male Schalten, Bremsen, Anfahren, Schalten und wieder Bremsen und
Anfahren.
»Ein Karussell«,
sagte Clerfayt lachend zu Lillian.
»Eine Art von
Zirkusakrobatik. Nirgendwo kann man die Karre auch nur halb ausfahren. Wo sitzt
du?«
»Auf der Tribüne.
Zehnte Reihe rechts.«
»Es wird heiß sein.
Hast du einen Hut?«
»Ja.« Lillian
zeigte einen kleinen Strohhut vor, den sie in der Hand hielt.
»Gut. Heute abend
werden wir im Pavillon d'Or am Meer Langusten essen und kühlen Wein trinken.
Und morgen fahren wir zu einem Bekannten von mir; er ist Architekt und soll uns
einen Plan machen, das Haus umzubauen. Hell, mit großen Fenstern und viel
Sonne.«
Der Rennleiter rief
Clerfayt etwas auf italienisch zu. »Es geht los«, sagte Clerfayt und knöpfte
seinen weißen Overall am Hals zu. Er holte ein Stück Holz aus der Tasche und
klopfte es gegen den Wagen und gegen seine Hand.
»Fertig?« schrie
der Rennleiter.
»Fertig.«
Lillian küßte
Clerfayt und vollführte das Ritual des Aberglaubens. Sie spuckte den Wagen und
Clerfayts Rennanzug leicht an und murmelte den Fluch, der das Gegenteil
herbeiführen sollte; dann hob sie die Hand mit zwei gespreizten Fingern gegen
die Bahn und die anderen Boxen – es war die Jettatore-Beschwörung gegen
den bösen Blick. Die italienischen Monteure sahen sie in stummer Anbetung an,
als sie an ihnen vorbeiging. Hinter sich hörte sie den Rennleiter bereits
beten: »O du süßes Blut Jesu und du, Mutter der Schmerzen, hilf Clerfayt und
Frigerio und ...«
Sie drehte sich an
der Tür um. Die Frauen von Marchetti und zwei anderen Fahrern hockten bereits
mit Stoppuhren und Papieren an ihren Plätzen. Ich sollte ihn nicht verlassen,
dachte sie und hob die Hand. Clerfayt lachte und salutierte. Er sah sehr jung
aus. »Und ihr, alle Heiligen, verbrennt die Reifen der Konkurrenz etwa doppelt
so schnell als die unseren!« betete der Rennleiter und schrie dann: »Fertig zum
Start! Alles raus, was nicht hierher gehört!«
Zwanzig Wagen starteten.
Clerfayt lag in der ersten Runde an achter Stelle; er hatte keinen sehr günstigen
Platz gehabt und war beim Anfahren einen Augenblick zu langsam gewesen. Er
hängte sich hinter Micotti, von dem er wußte, daß er angreifen würde. Frigerio,
Monti und Sacchetti lagen vor ihnen; Marchetti hielt die Spitze.
In der vierten
Runde schoß Micotti auf der Geraden, die zum Kasino anstieg, mit überdrehtem
Motor an Sacchetti vorbei. Clerfayt hing an seinen Hinterrädern, er forcierte
den Motor ebenfalls und passierte Sacchetti knapp vor dem Tunnel. Als er
herauskam, sah er Micottis Wagen qualmen und langsamer werden. Er überholte ihn
und begann, Monti zu jagen. Drei Runden später in der Haarnadelkurve am
Gasometer bekam er Anschluss an ihn und hängte sich wie ein Terrier an seine
Hinterräder.
Noch zweiundneunzig
Runden und
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