E.M. Remarque
als auf sein eigenes Fahren und unvorsichtig wurde. Sie hatten das Feld
einmal überrundet und einige Fahrer mehrere Male. Der Rennleiter schwitzte und
hielt Tafeln und Fahnen heraus. Er signalisierte Clerfayt, nicht anzugreifen.
Marchetti gehörte zum eigenen Stall, und es hatte genügt, daß Frigerio und er
sich gejagt hatten; Frigerio hatte dabei einen Reifendefekt gehabt und lag
jetzt fast eine Minute hinter Clerfayt und fünf anderen Wagen. Clerfayt wurde
von Monti gejagt, aber Monti hing noch nicht an seinen Rädern. Er konnte ihn
leicht abschütteln in den Haarnadelkurven, die er schneller als Monti nahm.
Sie kamen wieder an
den Lagern vorbei. Clerfayt sah, wie der Rennleiter alle Heiligen anrief und
gleichzeitig die Fäuste gegen ihn schüttelte, nicht zu dicht auf Marchetti
aufzuschließen. Marchetti hatte ihm ein wütendes Zeichen gemacht, Clerfayt
zurückzuhalten. Clerfayt nickte und fiel eine Wagenlänge zurück, aber nicht
mehr. Er wollte dieses Rennen gewinnen, mit oder ohne den Rennleiter. Er wollte
die Siegesprämie haben, und er hatte nebenbei noch auf sich selbst gewettet.
Ich brauche das Geld, dachte er. Für die Zukunft. Das Haus. Das Leben mit
Lillian. Der schlechte Start hatte ihn etwas verzögert, aber er wußte, daß er
gewinnen würde; er fühlte sich sehr ruhig, in dem sonderbaren Gleichgewicht
zwischen Konzentration und Entspannung, das einem das Bewußtsein gab, nichts
könne einem je geschehen. Es war eine Art von Hellsichtigkeit, die jeden
Zweifel, jedes Zögern und jede Unsicherheit ausschaltete. Er hatte sie früher
häufig gehabt, aber in den letzten Jahren hatte er sie oft vermisst. Es war
einer der seltenen Augenblicke reinen Glückes.
Hinter einer Kurve sah er
Marchettis Wagen plötzlich tanzen, sich querstellen und mit dem Schrei
reißenden Metalls aufschlagen. Er sah die schwarze Öllache, die breit über die
Straße gelaufen war, und die beiden anderen Wagen, die bereits ineinander
gerast waren, während sie wie betrunken über das Öl geschleudert worden waren,
er sah, wie in einer Zeitlupenaufnahme, sehr langsam Marchettis Wagen sich
überschlagen und Marchetti durch die Luft segeln und aufschlagen, hundert Augen
in ihm suchten nach einer Lücke auf der Straße, um seinen Wagen hindurchzuwerfen,
aber es war keine da, die Straße wurde riesig und schrumpfte im selben Moment
zusammen, er spürte keine Furcht, er versuchte nur, seitlich und nicht
rechtwinklig aufzuprallen, er wußte im letzten Augenblick noch, daß er das
Steuerrad loswerden mußte, aber die Arme waren zu langsam, alles hob sich
bereits, er hatte plötzlich kein Gewicht mehr, und dann kam der Schlag gegen
die Brust und der Schlag ins Gesicht, und von allen Seiten stürzte die
zersplitterte Welt auf ihn zu, einen Moment noch war der entsetzte, weiße Kopf
eines Streckenwärters da, dann schlug eine riesenstarke Faust von hinten auf
ihn ein, und nur noch das dunkle Rauschen war da und dann nichts mehr.
Der Wagen, der auf
ihn aufgefahren war, riß in das Durcheinander eine Lücke, so daß die andern,
die noch kamen, gerade wieder passieren konnten. Einer nach dem andern schoß
vorbei, tanzend manche, taumelnd, die Wagen knapp an den Wracks vorbeireißend,
so daß Metall gegen Metall kreischte, als stöhnten die verunglückten Maschinen.
Der Streckenwärter kletterte über die Sandsäcke mit einer Schaufel und
schaufelte Sand über die Öllache, zurückspringend, wenn das Heulen eines Motors
sich näherte, Sanitäter erschienen mit Tragbahren, sie zerrten Marchetti in
Sicherheit, hoben ihn hoch und reichten ihn über die Sandbarrikaden anderen zu,
ein paar Funktionäre mit Gefahrzeichen liefen heran,
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