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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Himmel kennt keine Guenstlinge
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et­was, und abends ging sie in
das Ho­tel zu­rück. Sie war jetzt sehr mü­de. Der Arzt hat­te ihr ein Schlaf­mit­tel
da­ge­las­sen. Sie brauch­te es nicht zu neh­men; sie schlief so­fort ein.
    Das
Te­le­fon
weck­te sie. Cler­fa­yts Schwes­ter war am Ap­pa­rat. Sie müs­se drin­gend mit ihr
spre­chen, er­klär­te sie be­fehls­ha­be­risch. Lil­li­an sol­le so­fort her­über­kom­men.
    »Wenn Sie mir et­was
zu sa­gen ha­ben, tun Sie es jetzt am Te­le­fon«, sag­te Lil­li­an.
    »Es geht nicht über
das Te­le­fon.«
    »Dann kom­men Sie
heu­te Mit­tag um zwölf Uhr in die Ho­tel­hal­le.«
    »Das ist zu spät.«
    »Nicht für mich«,
er­wi­der­te Lil­li­an und hing ab.
    Sie sah auf die
Uhr. Es war kurz vor zehn. Sie hat­te vier­zehn Stun­den ge­schla­fen und war im­mer
noch wie zer­schla­gen. Sie ging ins Ba­de­zim­mer und wä­re auch im Bad wie­der
ein­ge­schla­fen, wenn nicht je­mand hef­tig an die Zim­mer­tür ge­pocht hät­te. Sie zog
ih­ren Ba­de­man­tel an. Be­vor sie die Tür öff­nen konn­te, stürz­te die Schwes­ter
Cler­fa­yts her­ein; Lil­li­an hat­te kei­ne Ge­le­gen­heit mehr, sie auf­zu­hal­ten.
    »Sie sind Miss
Dun­ker­que?« frag­te die Frau im grau­en Schnei­der­ko­stüm.
    »Sie kön­nen mich um
zwölf Uhr in der Ho­tel­hal­le spre­chen«, er­wi­der­te Lil­li­an. »Nicht hier.«
    »Das ist doch
das­sel­be. Jetzt bin ich hier. Ich ...«
    »Sie sind ge­gen
mei­nen Wil­len hier«, un­ter­brach Lil­li­an. »Dies ist mein Zim­mer. Wol­len Sie, daß
ich die Di­rek­ti­on ru­fe, mir zu hel­fen?«
    »Ich kann nicht bis
zwölf war­ten. Mein Zug fährt vor­her. Wol­len Sie, daß die Lei­che mei­nes Bru­ders
auf dem hei­ßen Per­ron war­ten muß, bis Sie Zeit ha­ben, mit mir zu spre­chen?«
    Lil­li­an sah auf das
schma­le, schwar­ze Kreuz, das die Frau an ei­ner dün­nen Ket­te um den Hals trug.
Die­se Per­son schreck­te vor nichts zu­rück, um ih­ren Wil­len durch­zu­set­zen, dach­te
sie. »Ich ha­be hier«, fuhr die Schwes­ter fort, »un­ter den Pa­pie­ren mei­nes
Bru­ders ei­ne Ko­pie ge­fun­den, de­ren Ori­gi­nal wahr­schein­lich Sie be­sit­zen. Es
han­delt sich um die Ver­schrei­bung ei­nes Hau­ses an der Ri­ve­ra auf Sie.«
    »Auf mich?«
    »Wis­sen Sie nichts
da­von?«
    Lil­li­an sah das
Pa­pier in der kno­chi­gen Hand, auf der zwei Ehe­rin­ge sa­ßen. Ei­ne Wit­we
al­so – kein Wun­der. »Zei­gen Sie mir das Pa­pier«, sag­te Lil­li­an.
    Die Schwes­ter
zö­ger­te. »Ken­nen Sie es nicht?«
    Lil­li­an er­wi­der­te
nichts. Sie hör­te, daß das Was­ser im Ba­de­zim­mer im­mer noch lief und ging, es
ab­zu­dre­hen.
    »War es das, was
Sie mir so drin­gend mit­tei­len woll­ten?« frag­te sie, als sie zu­rück­kam.
    »Ich woll­te Ih­nen
er­klä­ren, daß die Fa­mi­lie das selbst­ver­ständ­lich nicht an­er­kennt. Wir wer­den
uns da­ge­gen weh­ren.«
    »Tun Sie das. Und
jetzt las­sen Sie mich bit­te al­lein.«
    Die Frau blieb
ste­hen. »Es wä­re ein­fa­cher und auch wohl takt­vol­ler, wenn Sie ei­ne Er­klä­rung
ab­gä­ben, daß Sie die­ses Ver­mächt­nis, das mein Bru­der zwei­fel­los nicht
un­be­ein­flußt ge­macht hat, nicht an­er­ken­nen.«
    Lil­li­an starr­te sie
an. »Ha­ben Sie die Er­klä­rung nicht viel­leicht auch schon auf­ge­setzt?«
    »Das ha­be ich. Sie
brau­chen sie nur zu un­ter­schrei­ben. Hier! Ich freue mich, daß Sie we­nigs­tens
da­für Ver­ständ­nis ha­ben.«
    Lil­li­an nahm die
Er­klä­rung und zer­riss sie, oh­ne sie zu le­sen. »Ge­hen Sie jetzt. Ich ha­be
ge­nug.«
    Die Schwes­ter
ge­riet nicht aus der Fas­sung. Sie be­trach­te­te Lil­li­an scharf. »Sie sag­ten, Sie
wüss­ten gar nichts von die­sem Ver­mächt­nis? Dann ha­ben Sie al­so kein Pa­pier
dar­über?«
    Lil­li­an ging zur
Tür und öff­ne­te sie. »Das über­las­se ich Ih­nen, her­aus­zu­fin­den.«
    »Das wer­de ich! Das
Recht ist auf un­se­rer Sei­te! Es gibt schließ­lich noch Un­ter­schie­de zwi­schen
Bluts­ver­wand­ten und ir­gend­ei­ner her­ge­lau­fe­nen Aben­teu­re­rin und Erb­schlei­che­rin,
die ...«
    Auf dem Tisch stand
ei­ne Scha­le mit Veil­chen, die Cler­fa­yt vor zwei Ta­gen ge­bracht hat­te. Lil­li­an
er­griff sie, oh­ne zu wis­sen, daß sie es tat, und

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