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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Himmel kennt keine Guenstlinge
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lie­ßen den Tod
Cler­fa­yts noch un­be­greif­li­cher er­schei­nen. Ich, dach­te Lil­li­an, ich soll­te es sein,
mir war es be­stimmt, nicht ihm! Sie kam sich in ei­ner son­der­ba­ren Wei­se wie
ei­ne Be­trü­ge­rin vor, wie je­mand, der üb­rig ge­blie­ben war, der über­zäh­lig war,
der nur noch durch ein Ver­se­hen leb­te, für den ein an­de­rer ge­tö­tet wor­den war
und über dem der va­ge, graue Schat­ten des Mor­des schweb­te, wie über ei­nem
Au­to­fah­rer, der über­mü­det einen Men­schen über­fah­ren hat, dem er hät­te
aus­wei­chen kön­nen.
    Das Te­le­fon
klin­gel­te. Sie er­schrak und hob es hoch. Der Ver­tre­ter ei­nes
Be­er­di­gungs­in­sti­tu­tes in Niz­za emp­fahl sich für einen Sarg, ein Grab und ei­ne
wür­di­ge Be­er­di­gung zu ku­lan­ten Prei­sen. Für den Fall ei­ner Über­füh­rung in die
Hei­mat stän­den Zink­sär­ge zur Ver­fü­gung.
    Sie hing auf. Sie
wuß­te nicht, was sie tun soll­te. Wo war Cler­fa­yts Hei­mat? Da, wo er ge­bo­ren
war? Ir­gend­wo in El­sass-Loth­rin­gen? Sie wuß­te nicht, wo. Das Te­le­fon schrill­te
wie­der. Die­ses Mal war es das Hos­pi­tal. Was mit der Lei­che ge­sche­hen sol­le? Es
müs­se dis­po­niert wer­den. Spä­tes­tens bis zum Nach­mit­tag. Ein Sarg müs­se be­stellt
wer­den.
    Lil­li­an sah auf die
Uhr. Es war Mit­tag. Sie zog sich an. Klir­rend und ge­schäf­tig über­fiel sie das
Ri­tu­al des To­des. Ich müß­te schwar­ze Klei­der ha­ben, dach­te sie. Ei­ne Fir­ma, die
Krän­ze lie­fer­te, rief an. Ei­ne an­de­re woll­te wis­sen, was für ei­ne Re­li­gi­on
Cler­fa­yt ge­habt hat­te, um die Zeit für die kirch­li­che Auf­bah­rung zu
re­ser­vie­ren. Oder war der Ver­stor­be­ne ein Frei­den­ker ge­we­sen?
    Lil­li­an fühl­te das
schwe­re Schlaf­mit­tel noch. Nichts war ganz ge­gen­ständ­lich. Sie ging nach un­ten,
um den Por­tier um Rat zu fra­gen. Ein Mann in ei­nem dun­kelblau­en An­zug er­hob
sich, als er sie sah. Sie wand­te sich ab; das pro­fes­sio­nel­le Bei­leids­ge­sicht
war ihr un­er­träg­lich.
    »Be­stel­len Sie
einen Sarg«, flüs­ter­te sie dem Por­tier zu. »Tun Sie, was nö­tig ist.«
    Der Por­tier
er­klär­te ihr, daß die Be­hör­den be­nach­rich­tigt wer­den müß­ten. Ob sie ei­ne
Ob­duk­ti­on wün­sche? Manch­mal sei es nö­tig, um die To­des­ur­sa­che fest­zu­stel­len.
Wo­zu? We­gen der Rechts­an­sprü­che. Die Au­to­fir­ma kön­ne ver­su­chen, die
Renn­ver­an­stal­ter ver­ant­wort­lich zu ma­chen. Dann sei­en noch die Ver­si­che­run­gen
zu be­rück­sich­ti­gen; auch könn­te es an­de­re Ver­wick­lun­gen ge­ben – am bes­ten
wä­re es, auf al­les ge­faßt zu sein.
    Es schi­en ein­fach
zu sein zu ster­ben – aber nicht, tot zu sein. Wol­le sie, daß Cler­fa­yt auf
dem hie­si­gen Fried­hof be­er­digt wer­de? »Auf dem Selbst­mör­der­fried­hof?« frag­te
Lil­li­an. »Nein!«
    Der Por­tier
lä­chel­te ver­zei­hend. Der Selbst­mör­der­fried­hof sei ei­ne Le­gen­de, wie so man­ches
in Mon­te Car­lo. Man ha­be einen or­dent­li­chen, schö­nen Fried­hof hier, auf dem die
Ein­woh­ner be­er­digt wür­den. Ob sie Cler­fa­yts Pa­pie­re ha­be?
    »Pa­pie­re? Braucht
er denn noch Pa­pie­re?«
    Der Por­tier hat­te
auch da­für Ver­ständ­nis. Na­tür­lich brau­che er Pa­pie­re. Viel­leicht sei­en sie in
sei­nem Zim­mer, sonst müß­ten sie be­sorgt wer­den. Er wer­de sich au­ßer­dem mit der
Po­li­zei in Ver­bin­dung set­zen.
    »Mit der Po­li­zei?«
    Bei ei­nem Un­fall
müs­se die Po­li­zei so­fort zu­ge­zo­gen wer­den. Das sei si­cher schon durch die Fir­ma
und das Renn­ko­mi­tee ge­sche­hen; aber die Po­li­zei müs­se die Lei­che auch
frei­ge­ben. Al­les sei nur ei­ne Form­sa­che, aber es müs­se ge­sche­hen. Er wer­de sich
dar­um küm­mern.
    Lil­li­an nick­te. Sie
woll­te plötz­lich aus dem Ho­tel her­aus. Sie fürch­te­te, ohn­mäch­tig zu wer­den. Ihr
fiel ein, daß sie seit dem Mit­tag vor­her noch nichts ge­ges­sen hat­te; aber sie
woll­te nicht in das Re­stau­rant des Ho­tels ge­hen. Rasch ver­ließ sie die Hal­le
und ging zum Café de Pa­ris. Sie be­stell­te Kaf­fee und saß lan­ge Zeit da, oh­ne zu
trin­ken. Au­to­mo­bi­le

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