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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Himmel kennt keine Guenstlinge
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in
Eu­ro­pa kein an­stän­di­ges Steak, ja nicht ein­mal ein er­träg­li­ches Ham­bur­ger Steak
be­kom­me. Selbst die Wie­ner Würst­chen sei­en in Wis­con­sin bes­ser.
    Lil­li­an saß oh­ne
Ge­dan­ken da, in ei­ner Er­schöp­fung, von der sie nicht mehr wuß­te, ob sie Trau­er
oder Lee­re oder Er­ge­bung sei.
    Sie sah den Hund,
oh­ne ihn zu er­ken­nen. Das Tier lief im Bo­gen über den Platz, schnup­per­te an ein
paar Frau­en, blieb ste­hen und stürz­te dann auf sie zu. Der Ame­ri­ka­ner sprang
auf.
    »Ein toll­wü­ti­ger
Hund!« rief er. »Po­li­zei! Er­schießt ihn!«
    Der Schä­fer­hund
lief an ihm vor­bei und sprang an Lil­li­an hoch. Er warf sie fast von der Bank,
er leck­te ih­re Hän­de und ver­such­te, ihr Ge­sicht zu le­cken, er jaul­te und heul­te
und bell­te so, daß ein Kreis von er­staun­ten Men­schen sie um­stand. »Wolf«, sag­te
sie un­gläu­big. »Wolf! Wo­her kommst du denn?«
    Der Hund ließ von
ihr ab und schoß auf die Men­ge zu, die sich so­fort teil­te. Er lief auf einen
Mann los, der rasch her­an­kam, und kehr­te dann wie­der zu Lil­li­an zu­rück.
    Sie war
auf­ge­stan­den. »Bo­ris!« sag­te sie.
    »Wir ha­ben dich
al­so doch noch ge­fun­den«, sag­te Wol­kow. »Der Por­tier im Ho­tel er­zähl­te mir, du
wä­rest be­reits am Bahn­hof. Es war ho­he Zeit, wie es scheint! Wer weiß, wo ich
dich spä­ter hät­te su­chen müs­sen.«
    »Du lebst!«
flüs­ter­te Lil­li­an. »Ich ha­be dich an­ge­ru­fen. Je­mand sag­te mir, du wä­rest
ab­ge­reist. Ich ha­be ge­dacht ...«
    »Das war Frau
Bliss. Sie ist die neue Haus­häl­te­rin. Frau Escher hat noch ein­mal ge­hei­ra­tet.«
Wol­kow hielt den Hund fest. »Ich ha­be in der Zei­tung ge­le­sen, was pas­siert ist;
des­halb bin ich ge­kom­men. Ich wuß­te nicht, in wel­chem Ho­tel du wohn­test, sonst
hät­te ich te­le­fo­niert.«
    »Du lebst!« sag­te
sie noch ein­mal.
    »Und du lebst,
Du­scha! Al­les an­de­re ist un­wich­tig.«
    Sie sah ihn an. Sie
ver­stand so­fort, was er mein­te – daß al­les an­de­re, al­ler ver­wun­de­te Stolz,
al­ler ge­kränk­te Ego­is­mus weg­ge­schwemmt wur­de von die­ser einen, trost­vol­len,
letz­ten Tat­sa­che: daß der ge­lieb­te Mensch nicht tot war, daß er noch leb­te, daß
er da war und noch at­me­te, ganz gleich, wo sei­ne Ge­füh­le wa­ren oder was
ge­sche­hen war. Bo­ris war nicht aus Schwä­che oder Mit­leid ge­kom­men; er war aus
die­ser blitz­haf­ten letz­ten Er­kennt­nis ge­kom­men, der ein­zi­gen, die ihm üb­rig
ge­blie­ben war, der ein­zi­gen, die im­mer am En­de üb­rig blieb, die al­les auf­hob
und de­ren man sich nur fast im­mer zu spät be­wußt wur­de.
    »Ja, Bo­ris«, sag­te
sie. »Al­les an­de­re ist un­wich­tig.«
    Er blick­te auf das
Ge­päck. »Wann fährt dein Zug?«
    »In ei­ner Stun­de.
Lass ihn fah­ren.«
    »Wo­hin woll­test
du?«
    »Ir­gend­wo­hin. Nach
Zü­rich. Es ist gleich­gül­tig, Bo­ris.«
    »Dann lass uns hier
weg­ge­hen. Zieh in ein an­de­res Ho­tel. Ich ha­be in An­ti­bes ein Zim­mer re­ser­vie­ren
las­sen. Im Ho­tel du Cap. Wir kön­nen noch eins da­zu be­kom­men. Soll ich das
Ge­päck da­hin schi­cken las­sen?«
    Lil­li­an schüt­tel­te
den Kopf. »Lass es hier«, sag­te sie mit plötz­li­chem Ent­schluß. »Der Zug fährt
in ei­ner Stun­de; lass uns ab­fah­ren. Ich will nicht hier blei­ben. Und du mußt
zu­rück.«
    »Ich muß nicht
zu­rück«, sag­te Wol­kow.
    Sie sah ihn an.
»Bist du ge­heilt?«
    »Nein. Aber ich muß
nicht zu­rück. Ich kann mit dir fah­ren, wo­hin du willst. So lan­ge du willst.«
    »Aber ...«
    »Ich ha­be dich
da­mals ver­stan­den«, sag­te Wol­kow. »Mein Gott, Du­scha, und wie ich ver­stan­den
ha­be, daß du weg­woll­test.«
    »Warum bist du dann
nicht mit mir ge­gan­gen?«
    Wol­kow schwieg. Er
woll­te sie nicht an das er­in­nern, was sie ge­sagt hat­te. »Wä­rest du mit mir
ge­gan­gen?« frag­te er schließ­lich.
    »Nein, Bo­ris«,
er­wi­der­te sie. »Das ist wahr. Da­mals nicht.«
    »Du woll­test die
Krank­heit nicht mit­neh­men. Du woll­test ihr ent­kom­men.«
    »Ich weiß es nicht
mehr. Viel­leicht war es so. Es ist so lan­ge her.«
    »Willst du wirk­lich
heu­te noch fah­ren?«
    »Ja.«
    »Hast du ein Bett?«
    »Ja,

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