E.M. Remarque
unten.«
Ich hörte Nataschas Lachen im Dunkeln. »Er
sieht uns ohnehin, wenn wir herauskommen«, sagte sie.
Ich antwortete nicht. Ich mußte mich erst
an den Gedanken gewöhnen. Natascha küßte mich. »Mach Licht«, sagte sie. »Wir
wollen dein Gefühl für Etikette schonen. Außerdem bin ich hungrig. Gehen wir
doch zum King of the Sea.«
»Schon wieder. Möchtest du nicht
woandershin?«
»Hast du schon deine Provision für Mrs.
Whymper?«
»Noch nicht.«
»Dann gehen wir zum King of the Sea.«
Natascha sprang aus dem Bett und drehte das
Licht an. Sie ging nackt durch das Zimmer und holte den Bademantel.
Ich stand auf und zog mich an. Dann setzte
ich mich wieder auf das Bett und wartete, daß sie zurückkam.
XVII.
I ch bin eigentlich ein Wohltäter der
Menschheit«, erklärte Silvers. Er zündete sich eine Zigarre an und betrachtete
mich behaglich.
Wir waren dabei, den Besuch des Millionärs
Fred Lasky vorzubereiten. Diesmal handelte es sich nicht darum, ein Bild im
Schlafzimmer von Frau Silvers aufzuhängen und es dann als ihr Privateigentum
auszugeben, von dem sie sich nur nach einem erbitterten Kampf zu trennen bereit
war, wenn sie von ihrem Mann einen Nerz und zwei Kleider von Mainbocher
versprochen bekam. Sie trennte sich jedes Mal, aber der Nerz ließ warten. Kein
Wunder im Sommer. Diesmal ging es um die Erziehung eines Millionär-Proleten zum
Mitglied der besseren Gesellschaft.
»Der Krieg ist ein Pflug«, dozierte
Silvers. »Er wühlt die Erde auf und schichtet die Vermögen um. Alte
verschwinden, und zahllose neue entstehen.«
»Kriegsschieber, Händler,
Lieferanten – kurz: Kriegsgewinnler«, warf ich ein.
»Nicht nur Waffenlieferanten«, fuhr Silvers
unerschüttert fort. »Auch Uniformlieferanten, Schiffslieferanten,
Nahrungsmittellieferanten, Autolieferanten – alle Welt verdient am Krieg!«
»Abgesehen von den Soldaten!«
»Wer spricht von denen?«
Silvers legte seine Zigarre beiseite und sah
auf die Uhr. »Er kommt in einer Viertelstunde. Sie bringen die ersten zwei
Bilder heraus, und ich frage nach dem Sisley. Sie bringen ihn, stellen ihn
verkehrt zur Wand, so daß man das Bild nicht sieht, und flüstern mir etwas zu.
Ich verstehe Sie nicht und frage ungeduldig, was los sei. Sie sagen lauter, daß
der Sisley für Herrn Rockefeller reserviert sei. In Ordnung?«
»In Ordnung«, sagte ich.
Nach einer Viertelstunde kam der Besuch.
Es klappte. Der Sisley, eine Landschaft,
wurde hereingebracht. Ich flüsterte und wurde von Silvers angeschnauzt, lauter
zu reden, hier gebe es keine Geheimnisse. »Was?« fragte Silvers überrascht.
»War das nicht der Monet? Sie irren sich, es ist der Monet, den er reserviert
hat.«
»Verzeihen Sie, Herr Silvers, aber ich
fürchte, Sie irren sich. Ich habe es genau notiert. Hier ...« Ich zückte ein
Notizbuch aus Wachsleder und zeigte es ihm.
»Es stimmt«, sagte Silvers. »Da kann man
nichts machen, Herr Lasky. Reserviert ist reserviert.«
Ich blickte auf Herrn Lasky. Er war
schmächtig, blaß, trug einen blauen Anzug und braune Schuhe und hatte eine
Glatze, über die er seine Seitenhaare nach hinten in langen Strähnen förmlich
festgeklebt hatte. Er wirkte wie ein Männchen, das in Gefahr ist, von seiner
kräftigen Gattin aufgefressen zu werden. Frau Lasky war einen Kopf größer als
er und zweimal so breit. Sie war mit Saphiren behängt.
Ich blieb eine Weile unschlüssig stehen,
das Bild in einer Hand, so daß man ein Stück davon, umgekehrt, erblicken
konnte. Als ich mich umwandte, biß Frau Lasky an. »Anschauen wird man es doch
wohl können«, sagte sie mit einer heiseren Quetschstimme. »Oder ist auch das
reserviert?«
Silvers verwandelte sich. »Aber
selbstverständlich. Bitte, verzeihen Sie, gnädige Frau! Herr Ross,
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