E.M. Remarque
Zimmer
liegt. Ich bleibe an der Tür stehen. »Du kannst weggehen, wenn du willst«, sage
ich. Sie drängt mich beiseite und stößt die Tür auf. »Komm«, sagt sie. Ich
folge ihr und schließe die Tür. Ich riegele sie nicht zu, ich spüre, wie der
jähe Rückstoß einsetzt, ich lehne mich an die Wand und habe das Gefühl, als sei
ich in einem Aufzug, der in reißender Fahrt nach unten saust, während ich nach
oben gedrückt werde, ich spüre die Dunkelheit wie einen überschwappenden Eimer
Wasser in meinem Gehirn, es rauscht, und ich halte mich fest, beide Hände gegen
die Wand gedrückt.
Ich sah Natascha auf dem Bett liegen.
»Warum kommst du nicht?« sagte sie.
»Ich kann nicht.«
»Was?«
»Ich kann nicht.«
»Du kannst nicht?«
»Nein«, sagte ich. »Die verdammte Treppe!«
»Was ist mit der Treppe?«
»Ich weiß es nicht. Es ist wie ein
verfluchter Coitus interruptus.«
»Was?«
»Ich kann nicht, das ist alles. Wirf mich
raus, wenn du willst!«
»Aus deinem eigenen Zimmer?«
»Dann lache über mich, soviel du willst.«
»Warum soll ich lachen?«
»Das weiß ich nicht. Ich habe gehört, daß
Männer ausgelacht werden, wenn ihnen das passiert.«
»Es ist mir noch nicht passiert.«
»Das ist ein Grund mehr zum Lachen.«
»Nein«, sagte Natascha.
»Warum gehst du nicht weg?«
»Soll ich weggehen?«
»Nein.«
Sie hatte sich nicht gerührt. Jetzt stützte
sie sich auf den Arm und sah mich an.
»Ich fühle mich lausig«, sagte ich.
»Ich mich nicht«, erwiderte sie. »Was
meinst du, woher es kommt?«
»Ich weiß es nicht. Das Wort ›Liebster‹ hat
mich ermordet.«
»Ich dachte, es sei die Treppe?«
»Die auch. Und dann das andere. Daß du
plötzlich wolltest.«
»Soll ich nicht wollen?«
Ich sah sie hilflos an. »Frag nicht so
etwas. Es kam alles zusammen.«
Es war ein sonderbarer Dialog, ohne daß wir
uns bewegten, monoton und ausdruckslos.
»Hast du ein Badezimmer?« fragte sie.
»Kein eignes. Aber es gibt eines drei Türen
weiter.«
Sie stand sehr langsam auf, strich sich
über das Haar und ging zur Tür. Sie streifte mich, als sie vorbeiging. Sie sah
mich nicht an. Ich spürte ihren Körper, ließ die Wand los und griff nach ihr.
Sie wollte sich losmachen. Ich spürte ihren Körper, als wäre er nackt, jung und
warm. Und geschmeidig wie eine Forelle. Im gleichen Augenblick war alles von
vorher wieder da. Ich hielt sie fest. »Du willst mich ja nicht«, flüsterte sie,
ihr Gesicht abgewandt, die Arme in den Ellbogen gewinkelt, dicht am Körper. Ich
nahm sie hoch und trug sie zum Bett zurück. Sie war schwerer, als ich dachte.
»Ich will dich!« sagte ich unterdrückt. »Ich will dich und nichts als dich und
nur dich, ich will dich mehr als mich selbst und in dich hinein, mich und alles
in dich hinein!« Mein Gesicht war direkt über ihr, ihre Augen waren sehr
glänzend und starr, ich spürte ihre Brüste und spürte, wie ich in sie
hineindrang, ich spürte es im Nacken und in den Händen und im Geschlecht. »Dann
nimm mich doch«, zischte sie und schloß die Augen nicht, »nimm mich und
erdrücke mich und brich durch mich hindurch, brich mich in Stücke, ja, ja, ja,
tiefer in mich hinein, ja, nagle mich fest, fick mich, komm hinein in mich, ich
komme dir entgegen, stürze dich in mich, ob der Brunnen da rauscht, meine Ohren
sind voll von ihm, ich komme, ich zerreiße, die Regen, die Regen, es rauscht
und rauscht und rauscht ...« Ihre Stimme wurde leise, sie wurde zu Murmeln
und einzelnen unverständlichen Worten und zu Flüstern, und dann schwieg sie
ganz.
Sie öffnete die Augen, dehnte sich,
murmelte, schloß sie und öffnete sie wieder. »Hat es geregnet?« fragte sie.
Ich lachte plötzlich.
»Noch nicht. Vielleicht heute nacht.«
»Es ist kühler geworden. Wo ist dein
Badezimmer?«
»Drei Türen weiter.«
»Kann ich deinen Bademantel anziehen?«
Ich gab ihn ihr. Sie zog sich aus bis auf
die Schuhe. Sie tat es langsam und sah mich nicht an. Sie war nicht verlegen.
Ich sah, daß
Weitere Kostenlose Bücher