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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
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warum
stel­len Sie das Bild nicht auf«, sag­te er un­mu­tig zu mir in ei­nem grau­en­haf­ten
Fran­zö­sisch. »Al­lez vi­te, vi­te!«
    Ich mar­kier­te Be­trof­fen­heit und hob das
Bild auf ei­ne der Staf­fe­lei­en. Dann ver­schwand ich in mei­ner Bil­der­kam­mer, die
mich im­mer an Brüs­sel er­in­ner­te. Ich las ei­ne Mo­no­gra­phie über De­la­croix und
horch­te ab und zu auf das Ge­spräch ne­ben­an. Ich ver­trau­te auf Frau Las­ky. Sie
sah aus wie ein Mensch, der im­mer glaubt, an­ge­grif­fen zu wer­den, und des­sen
Ver­tei­di­gung in Ag­gres­si­vi­tät und nicht in Lei­den be­steht. Ich konn­te mir gut
vor­stel­len, daß sie in stän­di­gem Kampf mit ih­ren ei­ge­nen Vor­stel­lun­gen von der
Mayflower-Ge­sell­schaft von Bo­ston und Phil­adel­phia lag, ge­gen die sie sich
durch­set­zen woll­te, um end­lich dort ak­zep­tiert zu wer­den und sich dann eben­so
bis­sig ge­gen an­de­re Neu­an­kömm­lin­ge zu wen­den. Ich klapp­te das Buch zu und hol­te
mir ein sehr klei­nes Blu­men­bild von Ma­net her­vor, ei­ne Päo­nie in ei­nem
Was­ser­glas. Mei­ne Ge­dan­ken gin­gen zu­rück zu der Zeit, als ich in Brüs­sel ei­ne
Ta­schen­lam­pe be­kam, da­mit ich in mei­nem Ver­lies nachts le­sen konn­te. Ich hat­te
ver­spro­chen, die Lam­pe nur nachts zu be­nüt­zen und nur in mei­nem Ver­lies, das
kei­ne Fens­ter hat­te. Mein Zim­mer war mo­na­te­lang in dich­ter Dun­kel­heit ge­le­gen,
und das ein­zi­ge Licht, das ich kann­te, war das blei­che Grau der Näch­te ge­we­sen,
wenn ich die Kam­mer ver­las­sen konn­te, um vor­sich­tig in den Ga­le­ri­en
um­her­zu­ge­spens­tern. Die Ta­schen­lam­pe, die man mir end­lich an­ver­traut hat­te,
hat­te mich zu­rück­ge­führt aus ei­nem schat­ten­haf­ten Le­mu­ren­da­sein in die Welt der
Far­be. Ich hat­te mich in den Näch­ten in mei­ne Kam­mer ge­kau­ert, die ich zum
ers­ten Mal im war­men Licht sah. Ich ent­deck­te die Se­lig­keit der Far­be wie­der,
wie je­mand, der voll­kom­men far­ben­blind ge­we­sen ist, oder ein Tier, dem der Bau
sei­ner Au­gen die Welt nur in Nu­an­cen von Grau zeigt. Ich er­in­ner­te mich, daß
ich den Trä­nen na­he ge­we­sen war, als ich die ers­te bun­te Off­se­tre­pro­duk­ti­on
ei­nes Cézan­ne-Aqua­rells vom Mont St. Vic­toire sah, des­sen Ori­gi­nal ich in der
Ga­le­rie des Mu­se­ums nur in dem trü­ge­ri­schen Hell­dun­kel des Mon­des ge­se­hen hat­te.
    Ich hör­te von ne­ben­an Zei­chen des
Auf­bruchs. Vor­sich­tig stell­te ich das win­zi­ge und wun­der­ba­re Stück Welt von
Ma­net zwi­schen die Holz­ge­stel­le an der Wand. Der hei­ße Nach­mit­tag, der vor­her
von den ge­mal­ten Tau­trop­fen auf der wei­ßen Päo­nie und dem schim­mern­den Was­ser
des ge­mal­ten Gla­ses zu­rück­ge­wi­chen war, hauch­te wie­der in das schma­le ho­he
Fens­ter mei­nes Ge­las­ses. Ei­ne tie­fe Freu­de schoß plötz­lich in mir hoch wie ein
hei­ßer Gei­er, die frü­he­re Zeit ver­meng­te sich für einen Au­gen­blick mit dem
Jetzt, die Kam­mer in Brüs­sel mit der Kam­mer bei Sil­vers. Und wie Vo­gel­flug war
von al­lem nur das Ge­fühl üb­rig ge­blie­ben, daß ich noch leb­te und da war, und
die Ver­pflich­tun­gen, die die­ses Le­ben wie ei­ne Mau­er um­schlos­sen, fie­len für
ei­ne Se­kun­de wie die Mau­ern von Je­ri­cho vor den Trom­pe­ten des aus­er­wähl­ten
Vol­kes, und Frei­heit war da, ei­ne wil­de, fal­ken­haf­te Frei­heit, die mich atem­los
mach­te, als er­öff­ne­te sie mit Wind, Son­ne und den vom Wind ge­peitsch­ten Wol­ken
ein Le­ben, von dem ich noch nichts ge­ahnt hat­te.
    Sil­vers kam her­ein, um­weht vom Duft sei­ner
Par­tagas. »Wol­len sie auch ei­ne Zi­gar­re?« frag­te er auf­ge­räumt.
    Ich lehn­te ab. Wenn ei­ner mir Geld
schul­det, wa­ren mir der­ar­ti­ge An­ge­bo­te ver­däch­tig. Ich hat­te er­lebt, daß je­mand
glaub­te, mit ei­ner ge­schenk­ten Zi­gar­re al­les ab­ge­gol­ten zu ha­ben. Von Sil­vers
er­war­te­te ich noch die Pro­vi­si­on für Mrs. Whym­per. Wenn ich schon im Zwei­fel
über mei­ne Jung­fräu­lich­keit ge­schwebt hat­te, so woll­te ich zu­min­dest da­für ei­ne
Ver­gü­tung, um im Gi­go­lo­jar­gon zu blei­ben. Die

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