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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
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sie nicht so schlank war, wie ich frü­her ge­glaubt hat­te. Ich hat­te
das schon vor­her ge­fühlt, jetzt sah ich es. »Du bist schön«, sag­te ich.
    Sie blick­te auf. »Nicht zu dick?«
    »Lie­ber Gott, nein.«
    »Gut« sag­te sie. »Das gibt un­se­rer Zu­kunft
einen ro­si­gen Aspekt. Ich es­se gern. Und ich ha­be mein Le­ben lang ge­hun­gert.
Als Man­ne­quin«, füg­te sie hin­zu. »Sonst nicht.«
    »Wir wer­den nach­her es­sen, so­viel du
willst, mit al­len Vor­spei­sen und ei­nem Des­sert de lu­xe.«
    »Ich pas­se schon auf, daß ich kei­ne Ka­no­ne
wer­de. Sonst wirft man mich hin­aus. Du brauchst al­so kei­ne Sor­ge zu ha­ben.«
    »Ich ha­be kei­ne, Na­ta­scha.«
    Sie nahm mei­ne Sei­fe und ih­re Hand­ta­sche,
sa­lu­tier­te an der Tür und ging hin­aus. Ich blieb lie­gen und dach­te an nichts.
Auch ich hat­te das Ge­fühl, daß es ge­reg­net hat­te. Ich wuß­te, daß es nicht so
war, aber trotz­dem ging ich zum Fens­ter und sah hin­aus. Die Schwü­le des
ein­ge­mau­er­ten Hin­ter­hofs mit dem Ge­ruch der Ab­fall­ton­nen stieg drau­ßen hoch. Es
hat­te nur in un­se­rem Zim­mer ge­reg­net, dach­te ich und ging zu­rück. Ich leg­te
mich wie­der auf das Bett und starr­te in die un­ge­schütz­te Bir­ne, die von der
De­cke her­ab­hing. Nach ei­ni­ger Zeit kam Na­ta­scha wie­der her­ein. »Ich ha­be dein
Zim­mer ver­wech­selt«, sag­te sie. »Ich dach­te, es wä­re ei­ne Tür wei­ter.«
    »War je­mand in dem an­dern?«
    »Nein. Es war dun­kel. Schlie­ßen die Leu­te
hier ih­re Zim­mer nicht ab?«
    »Man­che nicht. Sie ha­ben nichts zum Steh­len
drin.«
    Sie roch nach Sei­fe und Köl­nisch Was­ser.
Wo­her sie das Köl­ni­sche Was­ser hat­te, war mir ein Rät­sel. Aber viel­leicht hat­te
sie es in ih­rer Hand­ta­sche ge­habt. Es konn­te auch sein, daß je­mand seins im
Ba­de­zim­mer ge­las­sen und daß sie es be­nützt hat­te.
    »Mrs. Whym­per«, sag­te sie, »hat jun­ge
Män­ner gern, aber wei­ter geht es nicht bei ihr. Sie un­ter­hält sich gern mit
ih­nen, das ist al­les. Könn­test du dir das in dei­nen Schä­del ein­häm­mern?«
    »Ja«, sag­te ich, nicht sehr über­zeugt.
    Na­ta­scha bürs­te­te sich im grel­len Licht des
kah­len Raums vor dem arm­se­li­gen Spie­gel über der Waschtoi­let­te ihr Haar. »Ihr
Mann ist an Sy­phi­lis ge­stor­ben, und es ist nicht aus­ge­schlos­sen, daß sie sich
an­ge­steckt hat«, füg­te sie hin­zu.
    »Au­ßer­dem hat sie Krebs, Schweiß­fü­ße und
wäscht sich im Som­mer nur mit Wod­ka-Mar­ti­nis«, er­wi­der­te ich.
    Sie lach­te. »Du glaubst mir nicht? Warum
soll­test du auch?«
    Ich stand auf, nahm die Bürs­te aus ih­rer
Hand und küß­te sie.
    »Be­deu­tet es dir ir­gend­was, wenn ich dir
ver­ra­te, daß ich be­be, so­oft ich dich nur an­rüh­re?« sag­te ich.
    »Es sah nicht im­mer so aus«, er­wi­der­te sie.
    »Aber jetzt ist es so.«
    Sie lehn­te sich an mich. »Ich wür­de dich
um­brin­gen, wenn es nicht so wä­re«, mur­mel­te sie.
    Ich zog ihr den Ba­de­man­tel aus und ließ ihn
zu Bo­den fal­len. »Du hast die längs­ten Bei­ne, die ich ken­ne«, sag­te ich und
schal­te­te das Licht ab. Ich hielt sie im Arm und tas­te­te in Rich­tung des
Bet­tes. Ich sah im Dun­kel nur ih­re blas­se Haut und die schwar­zen Höh­len von
Mund und Au­gen. »Lang­sam«, flüs­ter­te sie. »Ich will ganz lang­sam kom­men.«
    Wir la­gen dicht bei­ein­an­der und fühl­ten die
dunk­le­re Wo­ge im Dun­keln her­an­rol­len, über uns hin­weg, und dann la­gen wir noch
lan­ge so da und at­me­ten und fühl­ten die viel klei­ne­ren Wel­len, die in uns
ver­lie­fen, und dann nur noch ei­ne sanf­te Be­we­gung in uns, bis wir sie nicht
mehr un­ter­schei­den konn­ten von un­se­rem Atem.
    Na­ta­scha rühr­te sich.
    »Hast du ei­ne Zi­ga­ret­te?«
    »Ja.« Ich gab sie ihr und sah ihr Ge­sicht
im Schein des Streich­hol­zes. Es war sehr ge­las­sen und un­schul­dig. »Möch­test du
et­was zu trin­ken?« frag­te ich.
    Sie nick­te im Dun­keln. Ich sah es an der
Be­we­gung ih­rer glü­hen­den Zi­ga­ret­te. »Aber kei­nen Wod­ka.«
    »Ich ha­be kei­nen Eis­schrank, und nichts ist
kalt. Aber ich kann et­was von un­ten ho­len.«
    »Kann es nicht je­mand brin­gen?«
    »Da ist nur noch Me­li­kow

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