E.M. Remarque
Balance dazu wollte ich
herstellen, indem ich Natascha abends zum Essen in ein Lokal mit Klimaanlage
führte. Ich war bei Silvers auf der Hut; er hatte mir bereits vorgeschwindelt,
daß Mrs. Whymper eine Bekannte von ihm sei, um meine Ansprüche abzuschwächen.
Ich glaubte, daß er imstande wäre zu erklären, die Sache mit Mrs. Whymper sei
in meinem Gehalt inbegriffen, ähnlich wie ehrenwerte Firmen, die alle
Patentansprüche von Erfindern, die bei ihnen arbeiten, automatisch für sich
buchen und sie höchstens mit einem freiwilligen Bonus belohnen.
»Die Familie Lasky fliegt auf den Sisley«,
erklärte der Wohltäter der Menschheit. »Wie geplant war. Ich habe erklärt, daß
Rockefeller eine Option von einer Woche habe, daß ich aber annähme, er erwarte
nicht, daß das Bild schon am nächsten Tag verkauft werden könnte, und so würde
er die Option sicher verfallen lassen. Frau Lasky war ganz Feuer und Flamme
dafür, einem Rockefeller das Bild wegzuschnappen.«
»Bauernfänger-Tricks«, sagte ich beiläufig.
»Was mich immer wieder erstaunt, ist, daß sie wirken!«
»Warum nicht?«
»Weil man sich nicht vorstellen kann, daß
diese ruppigen Räuber, die ihr Vermögen sicher nicht durch philanthropische
Taten gemacht haben, auf so etwas reinfallen.«
»Das ist einfach. In ihrer eigenen
Profession würden diese Piraten einem gewiß mit Hohngelächter begegnen. Aber
hier sind sie in einer kuriosen Weise wie Haifische in Süßwasser, sind sie
außerhalb des gewohnten Elements. Hier sind sie nicht zu Hause. Sie sind
unsicher, und je raffinierter sie sonst sind, desto schneller fallen Sie hier
auf die primitivsten Tricks herein. Nicht zu vergessen den Einfluß der Frauen
natürlich!«
»Ich muß zum Photographen«, sagte Natascha.
»Komm mit! Es dauert nicht lange.«
»Wie lange?«
»Eine Stunde. Nicht viel mehr. Warum?
Langweilt es dich?«
»Gar nicht. Ich wollte nur wissen, ob wir
vorher oder nachher essen sollen.«
»Nachher. Dann haben wir Zeit dazu. Jetzt
muß ich in einer halben Stunde da sein. Ist das Essen so wichtig? Oder hast du
bereits deine Provision fürs Mrs. Whymper bekommen?«
»Noch nicht. Dafür aber zehn Dollar von den
Brüdern Lowy für einen Tip. Sie haben eine chinesische Bronze für zwanzig
Dollar gekauft. Ich brenne darauf, sie mit dir durchzubringen.«
Sie sah mich zärtlich an. »Wir werden sie
durchbringen. Heute abend noch.«
Beim Photographen war es kühl, die Fenster
waren geschlossen und die Klimaanlage lief. Ich hatte sofort wieder das Gefühl,
in einem Unterseeboot zu sitzen. Die übrigen schienen nichts zu merken; ich war
es noch nicht gewöhnt. »Es wird noch heißer im August«, sagte der Photograph
Nicky als Trost und schlenkerte sein Armband.
Die Scheinwerfer wurden eingeschaltet.
Außer Natascha war noch das dunkle Mannequin da, das ich schon beim letztenmal
gesehen hatte. Auch der bleiche, schwarze Fachmann für Seiden aus Lyon war da.
Er erinnerte sich an mich. »Es geht vorwärts mit dem Krieg«, sagte er
melancholisch und müde. »Noch ein Jahr, und er ist vorbei!«
»Glauben Sie?« – »Ich habe Nachrichten
von drüben.«
»Wirklich?«
In dem unrealistischen weißen
Scheinwerferlicht, das alle Beziehungen aufhob und alle Proportionen schärfer
machte, erfüllte mich diese harmlose Prophezeiung plötzlich mit einer Art
Glauben – als wisse der Mann wirklich mehr als alle andern. Ich atmete
sehr tief. Ich wußte, daß der Krieg schlecht für die Deutschen stand, aber an
ein Ende konnte ich ebenso wenig denken, wie ich mir den Tod vorstellen konnte.
Man redete von ihm und wußte, daß er kommen würde, aber man glaubte nicht
daran, weil er jenseits der Vorstellung lag, die zum Leben gehört, und weil er
durch das
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