E.M. Remarque
Er hatte das zwar nicht gesagt, aber es ging aus seiner ziemlich
bestimmten Art hervor, die höflich war, aber Widerspruch schwierig machte.
Ich traf Natascha, als sie ihr Köfferchen
packte. »Nimmst du das Diadem mit?« fragte ich.
»Soweit traut man meiner Zuverlässigkeit
nicht. Es ist schon abgegeben. Ein Mann von van Cleef bringt es zurück.«
»Und wir gehen zu Lüchows?«
»Ja. Das wolltest du doch.«
»Ich?« sagte ich. »Ich wollte mit dir im
King of the Sea zehn Dollar verjubeln. Aber du hast eine Einladung von dem
Rolls-Royce-Besitzer angenommen.«
»Ich? Er kam zu mir und sagte, daß er mit
dir gesprochen habe.«
»Er hat mit mir gesprochen, aber doch erst
nach dir.«
Sie lachte. »So ein Filou!«
Ich starrte sie an. Ich wußte nicht genau,
ob ich ihr glauben sollte oder nicht. Wenn sie recht hatte, war ich auf den
ältesten Trick hereingefallen, etwas, das mir als Schüler von Silvers nicht
mehr hätte passieren dürfen. Aber ich konnte mir nicht vorstellen, daß Fraser
so etwas machen würde, er machte nicht den Eindruck.
»Also gehen wir schon«, sagte Natascha.
»Wir werden deine zehn Dollar dann morgen verjubeln.«
Der Rolls-Royce wartete vor einem
Eisengeschäft gegenüber. Ich bestieg ihn mit zwiespältigen Gefühlen, über die
ich mich ärgerte, weil sie kindisch waren. Fraser kam mit uns über die Straße.
Die abendliche Hitze nach dem kühlen Atelier war fast betäubend schwül.
»Nächstes Jahr lasse ich in den Wagen eine Klimaanlage einbauen«, sagte Fraser.
»Es gibt so etwas schon, wird nur noch nicht angefertigt. Der Krieg geht vor.«
»Der Krieg ist nächsten Sommer zu Ende«,
sagte ich.
»Meinen Sie?« erwiderte Fraser. »Dann
wissen Sie mehr als Eisenhower. Einen Wodka?« Er öffnete das wohlbekannte
Schränkchen.
»Danke vielmals«, erwiderte ich verdrossen.
»Es ist zu heiß dafür.«
Zum Glück war es nicht weit zu Lüchows. Ich
bereitete mich darauf vor, auf dem Rost gebraten zu werden, sowohl von Natascha
als auch von Fraser, dem ich plötzlich alles zutraute. Zu meinem Erstaunen war
Lüchows ein deutsches Restaurant. Ich glaubte anfangs, aus Versehen wieder in
das deutsche Viertel in Yorkville geraten zu sein. Es hätte mich nicht
gewundert; der Rolls war ein Unglückswagen für mich.
»Wie wäre es mit Rehbraten und
Kronsbeeren?« fragte Fraser. – »Dazu kleine Kartoffelpfannkuchen.«
»Gibt es in Amerika Kronsbeeren?«
»So etwas Ähnliches. Cranberries. Aber
Lüchows hatte noch eingemachte deutsche Kronsbeeren. Preiselbeeren nennen Sie
sie drüben, stimmt's?« fragte Fraser mich freundlich und hinterhältig.
»Ich glaube«, erwiderte ich. »Ich war lange
nicht da. Man hat da inzwischen vieles geändert. Vielleicht auch den Namen für
Preiselbeeren, wenn er nicht arisch genug war.«
»Preiselbeeren? Warum? Es klingt doch fast
wie Preußenbeeren.« Fraser lachte.
»Was trinken wir, Jack?« fragte Natascha.
»Was du willst. Vielleicht möchte Herr Ross
ein Bier? Oder einen Rheinwein? Hier gibt es noch einen Vorrat davon.«
»Ein Bier wäre nicht schlecht. Es paßt zur
Stimmung hier«, sagte ich.
Fraser unterhielt sich mit dem Kellner. Ich
sah mich um. Das Lokal war eine Mischung von bayrischer Schnaderhüpferlbeize
und einfacher rheinischer Weinstube mit einem Schuß von Haus Vaterland
dazwischen. Es war gerammelt voll. Eine Kapelle spielte Salonmusik und
Volkslieder. Ich hatte das Gefühl, daß Fraser das Lüchows nicht umsonst gewählt
hatte. Ich sollte auf dem Emigrantengrill geröstet werden und sah mich bereits
gezwungen, um halbwegs zu bestehen, mein verabscheutes Vaterland in seinen
belanglosen Eigenschaften gegen diesen Amerikaner kunstvoll zu
verteidigen – eine ziemliche Niedertracht, da sie mich auf die subtilste
Weise als sehr
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