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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
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Ei­gen­schaf­ten, daß ich zu bil­li­gen Ver­all­ge­mei­ne­run­gen neig­te.
»Ho­nig ist bes­ser«, sag­te ich. »Du riechst nach Ho­nig. Und du warst heu­te vie­le
Din­ge auf ein­mal. Ver­giß nicht, daß ich in Mo­de­sa­chen ein An­fän­ger bin; ich
neh­me sie noch ernst und glau­be sie. Auch wenn du ge­borg­te Dia­de­me trägst.«
    Sie zog mich in den Ein­gang. »Küß mich!«
mur­mel­te sie. »Und lie­be mich! Ich brau­che viel Lie­be. Und nun geh! Geh! Oder
ich reiß mir mein Kleid vom Leib.«
    »Reiß es her­un­ter. Nie­mand sieht uns.«
    Sie stieß mich hin­aus. »Geh! Al­les war
dei­ne Schuld! Geh!«
    Sie schloß die Tür hin­ter mir. Ich ging
lang­sam durch die hei­ße, nas­se Nacht zu­rück zur Un­ter­grund­sta­ti­on. Der Ge­stank
der ver­brann­ten Luft kam mir wie der Rauch von ei­nem un­ter­ir­disch schwe­len­den
Koh­len­mei­ler ent­ge­gen. Der Bahn­hof war schwach er­leuch­tet. Der Zug kam aus der
Fins­ter­nis her­an­ge­rast und hielt klap­pernd. Der Wa­gen war fast leer. Ei­ne
äl­te­re Frau saß in ei­ner Ecke. Ihr schräg ge­gen­über ein Mann. Ich war von den
bei­den durch den gan­zen Wa­gen ge­trennt. Wir ras­ten un­ter der Er­de die­ser
frem­den Stadt da­hin. Es war ei­ner der Au­gen­bli­cke, in de­nen die mensch­li­che
Be­zeich­nung, die wir den Din­gen ge­borgt ha­ben, ab­fällt, und in der sie einen
plötz­lich mit der gan­zen Feind­se­lig­keit und der ent­setz­li­chen Ur-Fremd­heit
an­star­ren, die meis­tens durch Il­lu­sio­nen ver­hüllt ist. Al­les zer­fiel. Kein Na­me
paß­te mehr. Ei­ne dro­hen­de Welt oh­ne Na­men und des­halb voll na­men­lo­ser Angst,
die oh­ne Zu­sam­men­hang lau­er­te. Sie sprang nicht los, sie schlug nicht zu, sie
griff nicht an, aber sie war ge­fähr­li­cher: sie lau­er­te laut­los. Ich blick­te
durch das Fens­ter, an dem die frem­de Dun­kel­heit vor­bei­ras­te, und starr­te dann
in den trü­ben be­leuch­te­ten Zug, in dem ein paar Be­grif­fe wie
Ge­spens­ter­fle­der­mäu­se flat­ter­ten, fremd schon, ei­ne Sil­hou­et­te, ein ge­neig­ter
Kopf, Wär­me, ei­ne Schul­ter, und die­ses biß­chen ge­ball­ten Feu­ers aus der Zeit
oh­ne Na­men, das wie ei­ne Vol­ta­sche Säu­le die Hal­lu­zi­na­ti­on ei­ner Brücke ins
Cha­os vor­täusch­te, oh­ne je hin­über­füh­ren zu kön­nen aus die­ser hoff­nungs­lo­sen
Sen­ti­men­ta­li­tät, son­dern die letz­te un­mensch­li­che Ein­sam­keit, die, in der man
der letz­te und ers­te und ver­las­sens­te Fun­ke Le­ben ist.

XVIII.
    K ahn hat­te mich ge­be­ten
mit­zu­kom­men. »Es han­delt sich um einen Raub­zug«, sag­te er, »ge­gen einen Mann,
der Hirsch heißt. Für den Dok­tor Grä­fen­heim.«
    »Den Hirsch, der Grä­fen­heim be­tro­gen hat?«
    »Ge­nau den«, sag­te Kahn grim­mig.
    »Aber ist das nicht der, der be­haup­tet, nie
et­was von Grä­fen­heim be­kom­men zu ha­ben? Und der, von dem Grä­fen­heim nichts
Schrift­li­ches in Hän­den hat?«
    »Ge­nau der! Des­halb ist es ein Raub­zug.
Hät­te Grä­fen­heim so et­was wie ei­ne Quit­tung oder nur einen Brief, so wä­re das
ei­ne Sa­che für einen An­walt. Aber er hat nichts! Nur Hun­ger und ein an­stän­di­ges
Ge­hirn. Au­ßer­dem kann er nicht wei­ter­stu­die­ren; er hat kein Geld mehr. Er hat
ein­mal an Hirsch ge­schrie­ben und kei­ne Ant­wort be­kom­men. Vor­her war er ein­mal
per­sön­lich da. Hirsch hat ihn un­ge­dul­dig und höf­lich hin­aus­ge­wor­fen und ihm ge­droht,
ihn we­gen Er­pres­sung zu ver­kla­gen, wenn er wie­der käme. Dar­auf­hin hat
Grä­fen­heim die al­te pa­ni­sche Emi­gran­ten­angst be­kom­men, aus­ge­wie­sen zu wer­den.
Ich weiß das al­les von Bet­ty.«
    »Weiß Grä­fen­heim von Ih­rem Plan?«
    Kahn zeig­te die Zäh­ne. »Nein«, sag­te er
la­chend. »Er lä­ge be­reits vor Hirschs Tü­re, um uns ab­zu­hal­ten. Die al­te Angst.«
    »Weiß Hirsch, daß wir kom­men?«
    Kahn nick­te. »Ich ha­be ihn vor­be­rei­tet.
Zwei Te­le­fon­an­ru­fe.«
    »Er wird uns raus­schmei­ßen. Oder nicht zu
Hau­se sein!«
    Kahn zeig­te wie­der die Zäh­ne. Es war ei­ne
Art La­chen, aber ich hät­te nicht ger­ne sein Geg­ner sein mö­gen. Er ging auch
an­ders als frü­her – schnel­ler, mit grö­ße­ren

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