E.M. Remarque
meinen Sie das?«
Ich nickte. Ich wollte Zeit gewinnen. Es
war mir nicht ganz gleichgültig, New York zu verlassen. Ich kannte niemand in
Kalifornien, und Silvers als einzige Gesellschaft schien mir reichlich
langweilig. Ich wußte bereits alles über ihn. Es war nicht schwer, wenn man
kein besonderer Bewunderer der Schlauheit ist. Nichts war langweiliger als
jemand, der sich außerdem immerfort etwas vormachte über sich selbst. Das war
nur etwas für kurze Zeit. Ich sah mit Schaudern endlose Abende in einer
Hotelhalle vor mir, Silvers ausgeliefert und ohne Privatleben.
»Wo wohnen wir?« fragte ich.
»Ich wohne im Beverly-Hills-Hotel. Sie im
Garden of Allah.«
Ich blickte interessiert auf. »Ein hübscher
Name. Klingt nach Rodolfo Valentino. Wir wohnen also nicht im selben Hotel?«
»Zu teuer. Ich habe gehört, der Garden of
Allah sei sehr gut. Er ist nahe beim Beverly-Hills-Hotel.«
»Und wie machen wir es mit der Abrechnung?
Die Hotel- und Tagesspesen?«
»Sie schreiben sie auf.«
»Sie meinen, ich solle alle Mahlzeiten im
Hotel nehmen?«
Silvers wischte mit der Hand durch die
Luft. »Sie sind recht schwierig! Sie können das machen, wie Sie wollen. Sonst
noch Fragen?«
»Ja«, sagte ich. »Ich brauche eine
Gehaltsaufbesserung, um einen Anzug zu kaufen.«
»Wieviel?«
»Hundert Dollar im Monat.«
Silvers sprang auf. »Ausgeschlossen! Wollen
Sie zu Knize gehen und dort arbeiten lassen? In Amerika kauft man von der
Stange. Was haben Sie gegen Ihren Anzug? Er ist doch gut.«
»Nicht gut genug für einen Angestellten von
Ihnen! Vielleicht brauche ich sogar einen Smoking.«
»Wir gehen nicht nach Hollywood, um zu
tanzen und Bälle zu besuchen.«
»Wer weiß! Es wäre vielleicht keine so
schlechte Idee. In Nachtklubs werden Millionäre leichter weichherzig. Wir
wollen sie doch einfangen mit dem bewährten Geschäftstrick, daß sie
gesellschaftsfähig werden, wenn sie Bilder kaufen.«
Silvers sah ärgerlich auf. »Das sind
Geschäftsgeheimnisse! Man redet nicht darüber. Und glauben Sie mir: Die
Millionäre Hollywoods strotzen vor Selbstbewußtsein. Sie halten sich für
Kulturträger. Also gut, ich gebe Ihnen zwanzig Dollar Zulage.«
»Hundert«, erwiderte ich.
»Vergessen Sie nicht, daß Sie hier
schwarzarbeiten. Ich riskiere etwas Ihretwegen!«
»Nicht mehr!« Ich blickte auf einen Monet,
der mir gegenüber hing. Es war eine Wiese mit Mohnblumen, auf der eine
weißgekleidete Frau spazierenging; angeblich 1889 gemalt, aber sie wirkte, als
läge so viel Frieden weitaus länger zurück. »Ich habe meine
Aufenthaltserlaubnis bekommen. Für drei weitere Monate, und dann wird sie
automatisch wieder verlängert.«
Silvers biß sich auf die Lippen. »Und?« sagte
er.
»Ich darf also arbeiten«, erwiderte ich. Es
stimmte nicht, aber man nahm es im Augenblick nicht zu genau.
»Sie meinen, Sie könnten die Stellung
wechseln?«
»Natürlich nicht. Warum sollte ich? Bei
Wildenstein müßte ich wahrscheinlich in der Galerie herumstehen. Es gefällt mir
besser bei Ihnen.«
Ich sah, daß Silvers rechnete. Er rechnete
sich aus, wieviel das, was ich von ihm wußte, wert war – für ihn und für
Wildenstein. Wahrscheinlich bereute er für den Augenblick, mich in so viele
Kniffe eingeweiht zu haben. »Bedenken Sie, daß in den letzten Wochen auch meine
Moral in den Beruf einbezogen worden ist«, sagte ich. »Ich habe allerhand
schwindeln müssen. Erst vorgestern bei dem Millionär aus Texas trat ich als
früherer Assistent des Louvre auf. Meine Sprachkenntnisse sind auch noch etwas
wert.«
Wir einigten uns auf fünfundsiebzig Dollar.
Ich hatte mit dreißig gerechnet. Ich erwähnte den Smoking nicht mehr, ich
dachte nicht daran, mir jetzt einen zu kaufen. In
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