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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
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war­ten konn­te. Ich schlepp­te das Gu­lasch und den Ku­chen
hin­auf. Dann ging ich noch ein­mal zur Zwei­ten Ave­nue, um Bier zu ho­len.
    Ich hat­te ein merk­wür­di­ges Ge­fühl, als ich
mit dem Schlüs­sel die Tür öff­ne­te und in die lee­re Woh­nung trat. Ich konn­te
mich nicht dar­an er­in­nern, daß ich das je ir­gend­wann ge­tan hat­te. Im­mer war ich
ent­we­der in ein Ho­tel­zim­mer ge­kom­men oder zu Be­such in ei­ne Woh­nung. Jetzt
hat­te ich das Ge­fühl, in mei­ne ei­ge­ne Woh­nung heim­zu­keh­ren. Ein sanf­ter Schau­er
rie­sel­te mir über die Ar­me, als ich die Tür auf­schloß. Et­was aus wei­ter
Ent­fer­nung schi­en mich zu ru­fen, et­was, das mit mei­nem El­tern­haus zu tun hat­te
und wor­an ich lan­ge Zeit nicht ge­dacht hat­te. Die Woh­nung war kühl, und ich
hör­te das Sum­men der Kli­ma­an­la­ge im Fens­ter und des Eis­schranks in der Kü­che.
Die­se Ge­räusche wa­ren wie freund­li­che Geis­ter, die die Woh­nung be­wach­ten. Ich
dreh­te das Licht an, stell­te das Bier kalt und das Gu­lasch auf den Gas­herd mit
klei­ner Flam­me, um es warm zu hal­ten. Dann schal­te­te ich das Licht wie­der ab
und öff­ne­te die Fens­ter. Die war­me Luft kam wie ein Schwall her­ein, un­ge­stüm
und be­gie­rig. Die klei­ne blaue Flam­me auf dem Herd ver­brei­te­te ein schwa­ches
ma­gi­sches Licht. Ich such­te mir im Ra­dio die Sta­ti­on, die klas­si­sche Mu­sik oh­ne
Re­kla­me brach­te. Ge­spielt wur­den die Prélu­des von De­bus­sy. Ich setz­te mich in
einen Ses­sel am Fens­ter und sah auf die Stadt. Es war das ers­te­mal, daß ich so
auf Na­ta­scha war­te­te. Ich war sehr ru­hig und ent­spannt und ge­noß es sehr. Ich
hat­te Na­ta­scha noch nichts da­von ge­sagt, daß ich mit Sil­vers nach Ka­li­for­ni­en
fah­ren soll­te.
    Sie kam un­ge­fähr ei­ne Stun­de spä­ter. Ich
hör­te den Schlüs­sel in der Tür. Einen Au­gen­blick dach­te ich, der Be­sit­zer der
Woh­nung könn­te un­ver­mu­tet zu­rück­ge­kom­men sein, dann hör­te ich Na­ta­schas
Schrit­te. »Bist du da, Ro­bert? Warum hast du kein Licht?«
    Sie warf einen Kof­fer mit ih­ren Sa­chen in
das Zim­mer. »Ich bin schmut­zig und sehr hung­rig. Was soll ich zu­erst tun?«
    »Ba­den. Und wäh­rend du ba­dest, kann ich dir
einen Tel­ler Sze­ge­di­ner Gu­lasch rei­chen. Das Zeug steht heiß auf dem Gas­herd.
Da­zu gibt es Dill­gur­ken und nach­her Sa­cher­tor­te.«
    »Warst du wie­der bei der fa­bel­haf­ten
Kö­chin?«
    »Ich war da und ha­be, wie ei­ne Krä­he für
ihr Jun­ges, reich­lich für uns mit­ge­schleppt. Wir brau­chen zwei bis drei Ta­ge
nichts ein­zu­kau­fen.«
    Na­ta­scha stieg be­reits aus ih­ren Klei­dern.
Das Ba­de­zim­mer dampf­te und roch nach Nel­ken von Ma­ry Chess. Ich brach­te das Gu­lasch.
Es war wie­der ein­mal für einen Au­gen­blick Frie­den in der Welt. »Bist du heu­te
als Kai­se­rin Eu­ge­nie mit dem Dia­dem von van Cleef und Ar­pels pho­to­gra­phiert
wor­den?« frag­te ich, wäh­rend sie das Gu­lasch be­schnup­per­te.
    »Nein. Als An­na Ka­re­ni­na. Pel­ze bis zum
Hals und auf dem Bahn­hof von Pe­ters­burg oder Mos­kau war­tend auf ihr Schick­sal
in Ge­stalt von Wron­ski. Ich war er­schreckt, als ich auf die Stra­ße kam, und
kein Schnee war ge­fal­len.«
    »Du siehst aus wie An­na Ka­re­ni­na.«
    »Im­mer noch?«
    »Über­haupt.«
    Sie lach­te. »Je­der hat ei­ne an­de­re An­na
Ka­re­ni­na. Ich fürch­te, sie war be­deu­tend di­cker als die Frau­en von heu­te.
Da­mals war das so Sit­te. Das 19. Jahr­hun­dert hat­te ja doch Ru­bens­sche For­ma­te,
lan­ge Kor­setts, ge­pan­zert mit Fisch­bein­stäb­chen und Klei­der bis auf den Bo­den.
Es kann­te auch Ba­de­zim­mer nur an­deu­tungs­wei­se. Was hast du al­les hier ge­macht?
Zei­tun­gen ge­le­sen?«
    »Das Ge­gen­teil! Mich be­müht, ein­mal nicht
an Schlag­zei­len und Leit­ar­ti­kel zu den­ken.« – »Warum nicht?«
    »Weil ich nichts da­zu tun kann.«
    »Das kön­nen die we­nigs­ten. Ab­ge­se­hen von
den Sol­da­ten.«
    »Ja«, sag­te ich. »Ab­ge­se­hen von den
Sol­da­ten.«
    Na­ta­scha gab mir den Tel­ler zu­rück.
»Möch­test du ei­ner wer­den?«
    »Nein. Es wür­de nichts än­dern.«
    Sie be­ob­ach­te­te mich ei­ne

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