E.M. Remarque
Herbst an«, sagte
Natascha und zeigte auf den Central Park hinunter. »Gehen wir doch zurück zu
van Cleef und Arpels.«
Wir wanderten an den Schaufenstern entlang,
in denen die Herbstmoden ausgestellt waren. »Ich habe das längst hinter mir«,
sagte Natascha. »Wir haben sie im Juni photographiert. Ich bin immer um eine
Jahreszeit voraus. Morgen photographieren wir Pelze. Vielleicht habe ich
deshalb das Gefühl, daß das Leben schneller vorbeigeht. Wenn die anderen noch
den Sommer preisen, trage ich schon den Herbst im Blut.«
Ich blieb stehen und küßte sie. »Wie wir
reden!« sagte ich. »Wie Figuren bei Turgenjew oder Flaubert. Neunzehntes
Jahrhundert. Jetzt trägst du schon den Winter im Blut mit Schneestürmen, Pelzen
und Kaminen, du Vorbotin der Jahreszeiten.«
»Und du?«
»Ich? Das weiß ich nicht. Die Erinnerung an
Zerstörungen und Gewalttätigkeiten vielleicht. Vom Herbst und Winter in Amerika
weiß ich nichts. Ich kenne dieses Land nur im Frühling und Sommer. Ich weiß
nicht, wie Wolkenkratzer im Schnee aussehen.«
Wir gingen bis zur 42. Straße und dann über
die Zweite Avenue zurück.
»Bleibst du heute nacht bei mir?« fragte
Natascha.
»Kann ich das?«
»Du hast eine Zahnbürste hier und Wäsche.
Einen Pyjama brauchst du nicht. Rasieren kannst du dich mit meinem Apparat. Ich
möchte heute abend nicht alleine schlafen. Es wird mehr Wind geben. Wenn er
mich aufweckt, will ich, daß du neben mir liegst und mich tröstest. Ich möchte
hemmungslos sentimental sein und getröstet werden und mit dir wieder
einschlafen und den Herbst spüren und vergessen und ihn wieder spüren.«
»Ich bleibe hier.«
»Gut. Wir wollen zu Bett gehen und uns
fühlen. Wir werden im Spiegel gegenüber unsere Gesichter sehen und auf den
Sturm lauschen. Unsere Augen werden manchmal erschreckt und etwas dunkler
werden, wenn wir ihn hören. Dann wirst du mich näher an dich heranziehen und
mir von Florenz und Paris und Venedig erzählen und all den Plätzen, wo wir nie
zusammen sein werden.«
»Ich war nie in Venedig und Florenz.«
»Du kannst davon erzählen; das ist, als
wärst du da gewesen. Ich werde vielleicht weinen und scheußlich aussehen. Ich
bin in Tränen keine Schönheit. Du wirst es mir verzeihen und meine
Sentimentalität auch.«
»Ja.«
»Dann komm und sag mir, daß du mich für
immer liebst und daß wir nie älter werden.«
XXII.
I ch habe eine interessante
Neuigkeit für Sie«, sagte Silvers. »Wir werden uns aufmachen und Hollywood
erobern. Was sagen Sie dazu?«
»Als Schauspieler?«
»Als Verkäufer von Bildern. Ich habe
verschiedene Einladungen dorthin bekommen und mich entschlossen, die Gegend
einmal fachmännisch zu bearbeiten.«
»Mit mir?«
»Mit Ihnen«, erklärte Silvers großzügig.
»Sie haben sich gut eingearbeitet und können mir behilflich sein.«
»Wann?«
»In etwa vierzehn Tagen. Wir haben also
Zeit zur Vorbereitung.« – »Für wie lange?« fragte ich.
»Vorläufig für vierzehn Tage. Vielleicht
auch länger. Los Angeles ist jungfräulicher Boden. Mit Gold gepflastert.«
»Gold?«
»Mit Tausend-Dollar-Scheinen. Stellen Sie
nicht so verbohrte Fragen. Jeder andere würde tanzen vor Freude. Oder wollen
Sie nicht mit? Dann müßte ich mir einen anderen Begleiter suchen.«
»Und mich entlassen?«
Silvers wurde ärgerlich. »Was ist mit Ihnen
los? Natürlich müßte ich das. Was sonst? Aber warum sollten Sie nicht mit
wollen?«
Silvers sah mich neugierig an. »Glauben
Sie, daß Sie nicht genug Garderobe haben? Ich kann Ihnen Vorschuß geben.«
»Für Garderobe in Ihren Diensten?
Gewissermaßen Geschäftsgarderobe? Die soll ich von Ihrem Vorschuß bezahlen? Ein
trostloses Geschäft, Herr Silvers!«
Er lachte. Er war wieder auf vertrautem
Gelände. »So
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