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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
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ziem­lich
ver­zwei­fel­tes Aben­teu­er.«
    ***
    Wir gin­gen spät abends
noch ein­mal hin­aus. Ich hat­te ei­ne Zeit­lang am Fens­ter ge­ses­sen und
nach­ge­dacht. Der Him­mel war vol­ler Ster­ne, Wind flog über die nied­ri­gen Dä­cher
un­ter uns in der 55. und 56. Stra­ße, und er schi­en ge­gen die Wol­ken­krat­zer
Sturm zu lau­fen, die wie Tür­me des Schwei­gens zwi­schen den grü­nen und ro­ten
Blink­lich­tern der Stra­ße stan­den. Ich öff­ne­te das Fens­ter und steck­te den Kopf
hin­aus. »Es ist küh­ler ge­wor­den, Na­ta­scha. Das ers­te­mal seit Wo­chen! Man kann
at­men!«
    Sie kam zu mir her­über. »Es wird Herbst«,
sag­te sie.
    »Gott sei Dank!«
    »Gott sei Dank? Wünsch die Zeit nicht
fort!«
    Ich lach­te. »Du sprichst, als wärst du
acht­zig.«
    »Man soll die Zeit nicht fort­wün­schen. Du
tust es. Ich weiß, daß du es tust.«
    »Jetzt nicht mehr«, er­wi­der­te ich und
wuß­te, daß ich log.
    »Wo willst du schon hin? Zu­rück, ich weiß
es.«
    »Aber Na­ta­scha, ich bin ja noch nicht
ein­mal rich­tig da. Wer denkt da an zu­rück­ge­hen?«
    »Du. Du denkst an nichts an­de­res.«
    Ich schüt­tel­te den Kopf. »Ich den­ke nicht
wei­ter als bis mor­gen. Es wird Herbst wer­den und Win­ter und Som­mer und wie­der
Herbst, und wir wer­den la­chen und wei­ter zu­sam­men sein.«
    Sie lehn­te sich an mich. »Du darfst mich
nicht ver­las­sen! Ich kann nicht al­lein sein. Ich bin kei­ne he­ro­i­sche Frau. Und
ich ha­be kei­nen he­ro­i­schen Cha­rak­ter.«
    »Frau­en mit he­ro­i­schen Cha­rak­teren ha­be ich
un­ter den Teu­to­nen zu Mil­lio­nen ge­se­hen. Es ist ei­ne Na­tio­na­lei­gen­schaft bei
de­nen. Sie ha­ben ihn statt Char­me. Er er­setzt oft auch die Ero­tik. Zum
Kno­chen­kot­zen. Laß uns oh­ne Kla­ge in den ers­ten Spät­som­mer­abend hin­aus­ge­hen.«
    »Gut.«
    Wir fuh­ren hin­un­ter. Der Auf­zug war leer.
Das ro­sa Bal­lett war vor­bei. Auch die Stun­de der Pu­del. Der Wind schno­ber­te wie
ein Jagd­hund um die Ecke von Ed­ward's Drug­sto­re. »Der Som­mer ist vor­bei«, sag­te
Nick aus sei­nem Zei­tungs­stand her­aus.
    »Gott sei Dank«, er­wi­der­te Na­ta­scha.
    »Freu dich nicht zu früh«, sag­te ich. »Er
kommt wie­der.«
    »Nichts kommt wie­der«, er­klär­te Nick. »Nur
das Elend und je­nes Schwein von ei­nem Pu­del, das René heißt und an mei­nem Ki­osk
die Ti­tel­bil­der von Vogue und Es­qui­re an­pißt, wenn ich nicht auf­pas­se. Wol­len
Sie die News?«
    »Wir neh­men sie nach­her mit rauf.«
    Mir gab die­ses harm­lo­se Ge­trat­sche im­mer
wie­der die­sel­be Er­re­gung. Es war die Er­re­gung ei­nes Men­schen, der sich nicht
mehr zu ver­ste­cken brauch­te. Die sanf­te Bür­ger­lich­keit des Abend­spa­zier­gangs
wur­de im­mer wie­der zum Aben­teu­er der Si­cher­heit. Ich war schon fast ein Mensch,
zwar nur ge­dul­det, aber nicht mehr ge­jagt. Da­zu kam, daß ich in mei­ner
ame­ri­ka­ni­schen et­wa zwei Drit­tel mei­ner eu­ro­päi­schen Ent­wick­lung er­reicht
hat­te. Ich sprach kein gu­tes, aber ein ei­ni­ger­ma­ßen flüs­si­ges, be­grenz­tes
Eng­lisch. Mein Sprach­schatz war zwar noch der ei­nes Vier­zehn­jäh­ri­gen, aber ich
konn­te mehr da­mit an­fan­gen. Vie­le Ame­ri­ka­ner ka­men mit nicht sehr viel mehr
Wör­tern aus. Sie blie­ben nur nicht ste­cken, so wie ich. »Möch­test du die große
Tour ab­sol­vie­ren?« frag­te ich.
    Na­ta­scha nick­te. »So­viel Licht wie in die­ser
halb­ver­dun­kel­ten Stadt nur mög­lich ist! Die Ta­ge wer­den kür­zer.«
    Wir gin­gen zur Fifth Ave­nue hin­auf, am
Ho­tel Sher­ry Net­her­land vor­bei auf den Cen­tral Park zu. Vom Zoo hör­te man das
Brül­len der Lö­wen selbst durch den Stra­ßen­lärm. Wir blie­ben beim Vi­eil­le Rus­sie
ste­hen und be­trach­te­ten die Iko­nen und die kunst­vol­len Os­terei­er, die Fa­ber­gé
für die Za­ren­fa­mi­lie aus Onyx und Gold ge­macht hat­te. Die rus­si­schen
Emi­gran­ten, die­se Ari­sto­kra­tie un­ter den Flücht­lin­gen, ver­kauf­ten sie im­mer
noch hier­her. Das hör­te nie auf, so wie die Don-Ko­sa­ken nie auf­hör­ten und
wei­te­re Kon­zer­te ga­ben, als wä­ren sie wie die Kat­zen­jam­mer-Kids, die auch nie
äl­ter wur­den.
    »Da drau­ßen fängt der

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