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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
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Deut­schen tun wür­den,
wenn sie den Krieg ge­wän­nen? Auch Speck ver­tei­len?« frag­te je­mand und hus­te­te.
    Ich ant­wor­te­te nicht; ich kann­te die­se
Ge­sprä­che im Über­fluß. Ich sah mir wei­ter die Bil­der an.
    »Bet­tys To­ten­lis­te«, sag­te ei­ne zier­li­che,
sehr blas­se Frau, die un­ter den Fo­tos auf ei­ner Bank saß. »Das da ist
Has­ten­e­cker.«
    Ich er­in­ner­te mich an Has­ten­e­cker. Die
Fran­zo­sen hat­ten ihn mit al­len Emi­gran­ten, die sie er­wi­schen konn­ten, in ein
In­ter­nie­rungs­la­ger ge­sperrt. Er war Schrift­stel­ler und wuß­te, daß er ver­lo­ren
war, wenn die Deut­schen ihn faß­ten. Er wuß­te auch, daß die In­ter­nie­rungs­la­ger
von Ge­sta­po-Be­am­ten durch­sucht wür­den. Als die Deut­schen nur noch ein paar
Stun­den ent­fernt wa­ren, be­ging er Selbst­mord.
    »Der al­te fran­zö­si­sche Schlen­dri­an«, sag­te
Kahn bit­ter. »Sie mei­nen es zwar nicht so, aber der an­de­re geht da­bei drauf.«
    Ich er­in­ner­te mich, daß Kahn in ei­nem La­ger
den Kom­man­dan­ten da­zu ge­bracht hat, fünf Emi­gran­ten zu ent­las­sen. Er hat­te ihm
so zu­ge­setzt, daß der Mann, der bis da­hin sei­ne Of­fi­zier­seh­re wie einen Schild
vor sei­ne Un­ent­schlos­sen­heit ge­hal­ten hat­te, nach­gab und die Flücht­lin­ge, die
ver­lo­ren ge­we­sen wä­ren, nachts freiließ. Es war schwie­ri­ger als sonst, weil im
La­ger auch ei­ni­ge Na­zis wa­ren. Kahn über­zeug­te den Kom­man­dan­ten zu­erst, daß er
die Na­zis frei­las­sen müs­se, an­dern­falls wür­de er von der Ge­sta­po, wenn sie sein
La­ger prü­fe, ver­haf­tet wer­den. Da­nach be­nutz­te er die Ent­las­sung der Na­zis als
Druck­mit­tel ge­gen den Kom­man­dan­ten und er­klär­te, die An­ge­le­gen­heit in Vichy
be­kannt zu ge­ben. Er nann­te das ›mo­ra­li­sche Er­pres­sung in Etap­pen‹. Es wirk­te.
    ***
    »Wie sind Sie aus Frank­reich
her­aus­ge­kom­men?« frag­te ich Kahn. »Auf die Wei­se, die da­mals nor­mal war. Die
gro­tes­ke. Die Ge­sta­po hat­te all­mäh­lich Wind be­kom­men. Ei­nes Ta­ges half mir
mei­ne Schnau­ze nicht mehr wei­ter, auch nicht mehr der frag­wür­di­ge Ti­tel ei­nes
Vi­ze­kon­suls. Ich wur­de ver­haf­tet und muß­te mich aus­zie­hen. Man woll­te auf die
al­te Wei­se fest­stel­len, ob ich ein Ju­de, ob ich be­schnit­ten sei. Ich wei­ger­te
mich, so­lan­ge ich nur konn­te, ich er­klär­te, Tau­sen­de von Chris­ten sei­en
be­schnit­ten, in Ame­ri­ka prak­tisch fast al­le Män­ner. Je mehr Aus­re­den ich
such­te, de­sto zu­frie­de­ner feix­ten die Jä­ger. Sie hat­ten mich. Es mach­te ih­nen
Spaß, mich zap­peln zu se­hen. Schließ­lich, als ich ver­zwei­felt schwieg, sag­te
der Kom­man­deur, ein Ober­leh­rer mit Bril­le, zy­nisch: ›Und nun, du ver­fluch­tes
Ju­den­schwein, her­un­ter mit der Ho­se, zeig dein be­schnit­te­nes Ding vor! Dann
wer­den wir es ab­schnei­den und dir zu fres­sen ge­ben.‹ Sei­ne Un­ter­ge­be­nen,
gut­aus­se­hen­de blon­de Män­ner, lach­ten be­geis­tert. Ich zog mich aus, und sie
er­starr­ten bei­na­he: ich war nicht be­schnit­ten. Mein Va­ter war ein auf­ge­klär­ter
Ju­de ge­we­sen und hat­te die­sen Brauch im ge­mä­ßig­ten Kli­ma nicht für not­wen­dig
ge­hal­ten.«
    Kahn lä­chel­te. »Sie se­hen den Trick. Hät­te
ich mich so­fort aus­ge­zo­gen, hät­te es kei­nen großen Ein­druck ge­macht. So wa­ren
sie maß­los ver­blüfft und et­was ge­niert. ›Warum ha­ben Sie das nicht gleich
ge­sagt?‹ frag­te der Ober­leh­rer.
    ›Was?‹
    ›Daß Sie kei­ner sind.‹
    Zum Glück wa­ren zwei der Na­zis, die auf
mei­ne Ver­an­las­sung ent­las­sen wor­den wa­ren, bei dem Pos­ten ge­lan­det, um nach
Deutsch­land zu­rück­ge­schickt zu wer­den. Wie­der ei­ne der Gro­tes­ken, oh­ne die wir
längst tot wä­ren. Sie schwo­ren Stein und Bein für mich, ich war ihr Freund. Ich
hat­te für sie et­was ge­tan. Das gab den Aus­schlag. Da ich zu­neh­mend dro­hen­der
und schweig­sa­mer wur­de und ein paar Na­men fal­len ließ, ta­ten sie nicht das, was
ich be­fürch­te­te: sie ga­ben mich nicht an ei­ne hö­he­re Stel­le wei­ter. Sie hat­ten
Angst, we­gen des Miß­ver­ständ­nis­ses

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