E.M. Remarque
noch
irgendeinen Haken schlagen, selbst wenn er wüßte, daß es ihm nichts mehr
nützte.
»Wir sind abends eingeladen«, sagte er
schließlich. »Gegen zehn Uhr.«
»Zum Essen?«
»Nach dem Essen. Das Essen habe ich
abgelehnt. Wir gehen zur Villa Weller.«
»Als was?« fragte ich. »Als Assistent vom
Louvre oder als belgischer Kunsthistoriker?«
»Als Assistent vom Louvre. Sie müssen
vorher den Gauguin hinbringen. Am besten gleich. Hängen Sie ihn schon auf, wenn
Sie können. Er wirkt so besser. Ich verlasse mich darauf, daß Sie das
fertigbringen. Bilder an der Wand verkaufen sich zweimal so leicht, als wenn
sie auf dem Boden oder einem Stuhl stehen. Sie können ein Taxi nehmen.«
»Das brauche ich nicht«, erklärte ich
hochmütig. »Ich habe einen Wagen.«
»Was?«
»Vom Studio gestellt.« Ich verschwieg, daß
es sich um einen alten Ford handelte. Es gab mir vorübergehend eine
Überlegenheit über Silvers. Aber um halb zehn Uhr schlug er vor, meinen Wagen
zu benützen, um zur Villa Weller zu fahren, und als er ihn sah, sprang er
zurück und wollte nach einem Cadillac telefonieren. Ich redete ihm zu, im Ford
vorzufahren, für einen ersten Verkauf sei das besser. Es wirke seriöser. Von
Cadillacs und Rolls-Royces wimmelte es ohnehin. Jeder kleine Filmstar besäße
einen: Ein Ford würde in diesem Staate, in dem jeder als Angeber aufträte, eine
Sensation im guten Sinne sein. »Genau das mache ich«, erklärte Silvers, der die
Gewohnheit aller unsicheren Leute hatte, immer recht haben zu müssen. »Ich
wollte einen sehr alten, gebrauchten Cadillac mieten, aber ein Ford ist ja
schließlich fast dasselbe.«
Wir gerieten in eine private
Filmvorführung. Das war so üblich in Hollywood nach dem Essen. Es wurden
jeweils die Filme gezeigt, bei deren Chefs man gerade zu Gast war. Ich
amüsierte mich über Silvers, der ein schönes Bild von Ungeduld und
Verbindlichkeit darstellte. Er trug einen seidenen Smoking und Pumps, ich
meinen blauen Anzug. Es waren mehr blaue Anzüge als Smokings da. Silvers fühlte
sich ›overdressed‹. Er wäre am liebsten zurückgefahren und hätte sich
umgezogen. Natürlich machte er mich verantwortlich dafür, ihn nicht informiert
zu haben: Dabei hatte ich nachmittags nur einen Diener und die alte Mutter
Wellers gesehen.
Es dauerte fast zwei Stunden, bis die
Lichter wieder angingen. Zu meiner Überraschung entdeckte ich unter den Gästen
Holt und Tannenbaum. »Wie kommt es, daß wir alle auf derselben Party sind?«
fragte ich. »Ist das immer so in Hollywood?«
»Aber Robert«, sagte Holt vorwurfsvoll.
»Weller ist doch unser Chef! Sein Studio macht ja unseren Film. Wußten Sie das
nicht?«
»Nein. Woher?«
»Sie glücklicher Mensch. Ich werde ihm
gleich sagen, daß Sie hier sind. Er wird sicher mit Ihnen sprechen wollen!«
»Ich bin mit Silvers hier. Für andere
Zwecke.«
»Das kann ich mir denken. Ich habe den
aufgeputzten Affen schon gesehen. Warum sind Sie nicht zum Essen gekommen? Es
gab Truthahn mit Füllung. Eine Delikatesse. Man ißt das hier im späten Herbst.
Eine Art Weihnachtsgans nach europäischen Begriffen.«
»Mein Chef hatte keine Zeit, zum Essen zu
kommen.«
»Ihr Chef war nicht eingeladen zum Essen.
Hätte Weller gewußt, daß Sie mit ihm kommen, hätte er Sie sicher eingeladen. Er
weiß, wer Sie sind. Ich habe es ihm mitgeteilt.«
Ich genoß einen Augenblick den Gedanken,
daß Silvers durch mich bei Weller eingeführt wurde, und überlegte, wie er sich
da wohl winden würde, um mir trotzdem seine Überlegenheit zu zeigen. Dann
vergaß ich es und sah nur die Gäste an. Mir fielen sofort die vielen jungen, gutaussehenden
Menschen auf. Ich sah ein halbes Dutzend Filmhelden, die ich aus Wildwest- und
Abenteuerfilmen kannte.
»Ich
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