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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
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Sta­nis­law­ski-Me­tho­de. Ich muß mei­ne
Rol­le ganz füh­len, um gut zu sein. Wenn ich einen Mör­der dar­stel­len soll, muß
ich mich wie ein Mör­der füh­len. Nun, und als Grup­pen­füh­rer ...«
    »Ich ver­ste­he. Aber die Zwil­lin­ge sind doch
nie ein­zeln zu tref­fen. Dar­in be­steht doch ih­re Macht.«
    Tan­nen­baum lä­chel­te. »Für Tan­nen­baum ja,
aber nicht für einen Grup­pen­füh­rer! Ich war in Uni­form, als sie an­ka­men. Ich
ha­be sie in mei­nem Bun­ga­low so­fort an­ge­schnauzt, daß ih­nen fast die Oh­ren
ab­fie­len, ha­be die ei­ne ein­ge­schüch­tert zum Be­klei­dungs­amt be­foh­len, um die
Ko­stü­me zu pro­bie­ren, die an­de­re da­be­hal­ten, ha­be sie – noch im­mer in
Uni­form – auf die Couch ge­wor­fen, die Tür ab­ge­schlos­sen und bin dann wie
ein Grup­pen­füh­rer über sie her­ge­fal­len. Und den­ken Sie: An­statt mir das Ge­sicht
zu zer­krat­zen, war sie still wie ei­ne Maus. So groß ist die Macht der Uni­form.
Ich hät­te es nie ge­glaubt. Sie?«
    Ich dach­te an den ers­ten Nach­mit­tag im
Stu­dio. »Doch«, sag­te ich. »Aber was pas­siert, wenn Sie nicht mehr in Uni­form
sind, son­dern in Ih­rem auf­re­gen­den Sport­jackett?«
    »Schon pro­biert«, sag­te Tan­nen­baum. »Die
Au­ra bleibt. Viel­leicht auch des­halb, weil es schon ein­mal ge­sche­hen ist. Auf
je­den Fall: Die Au­ra ist da.«
    Ich ver­neig­te mich vor dem Grup­pen­füh­rer im
blau­en An­zug. »Ei­ne klei­ne Ent­schä­di­gung für ein großes Un­glück«, sag­te ich.
»Im­mer­hin. Es heißt, daß auch nach dem letz­ten furcht­ba­ren Aus­bruch des Ve­suvs
Leu­te in der hei­ßen Asche Ei­er ge­bra­ten ha­ben.«
    »So ist das Le­ben«, er­klär­te Tan­nen­baum.
»Da ist nur ein Haar in der Sup­pe. Ich weiß nicht, ob ich den rich­ti­gen
Zwil­ling er­wi­scht ha­be.«
    »Wie­so? Die sind doch nicht zu un­ter­schei­den.«
    »Im Bett schon. Ve­sel hat mir er­klärt,
ei­ner sei ein Vul­kan. Mei­ner ist eher ru­hig.«
    »Viel­leicht kommt das von Ih­rer Au­ra.«
    Tan­nen­baums Ge­sicht hell­te sich auf. »Das
ist mög­lich. Dar­an ha­be ich noch nicht ge­dacht. Aber was macht man da?«
    »War­ten Sie bis zum nächs­ten Film.
Viel­leicht spie­len Sie da einen Pi­ra­ten oder einen Scheich.«
    »Einen Scheich«, sag­te Tan­nen­baum. »Einen
Scheich mit ei­nem Ha­rem. Nach der Sta­nis­law­ski-Me­tho­de.«
    ***
    Die Nacht war sehr ru­hig, als
ich in den Gar­den of Al­lah kam. Es war noch nicht sehr spät, aber al­les schi­en
zu schla­fen. Ich setz­te mich an den Swim­ming-pool und wur­de auf ein­mal von
ei­ner grund­lo­sen Schwer­mut wie von ei­ner Wol­ke über­schat­tet. Ich blieb still
sit­zen und war­te­te auf Ge­stal­ten, die her­vor­trä­ten. Schat­ten der Er­in­ne­rung,
von de­nen ich er­fah­ren könn­te, wo­her die­se De­pres­si­on kam, von der ich so­fort
wuß­te, daß sie nicht wie frü­her war. Es war nichts Nie­der­drücken­des da­bei,
nicht ein­mal Qual. Ich kann­te To­des­angst, die eben­falls an­ders ist als al­le
an­de­ren Ängs­te und längst nicht im­mer die ängst­lichs­te von al­len. Die­se
merk­wür­di­ge Stim­mung glich ihr, aber sie war viel stil­ler. Sie war das
Stills­te, was ich kann­te, oh­ne Schmerz, ei­ne To­destrau­rig­keit, die fast
leuch­te­te, durch­sich­tig, aber so, als wür­de al­les da­hin­ter un­si­cher. Ich
be­griff, daß das Wort des Pro­phe­ten, Gott käme nicht im Sturm, son­dern in der
Stil­le, auch auf den Tod An­wen­dung fin­den kann und daß es dann ein wil­len­lo­ses,
sanf­tes Er­lö­schen gibt, na­men­los und oh­ne Furcht. Ich blieb lan­ge Zeit so
sit­zen, bis ich spür­te, daß das Le­ben bei­na­he un­merk­lich zu­rück­kehr­te, wie ei­ne
all­mäh­lich sich be­le­ben­de Flut nach ei­ner laut­lo­sen Eb­be. Schließ­lich er­hob ich
mich, ging zu­rück in mein Zim­mer und streck­te mich auf dem Bett aus. Ich hör­te
nur das lei­se Ra­scheln der Palm­blät­ter und hat­te das Ge­fühl, daß die­se Stun­de
der größ­te Ge­gen­satz zur Zeit mei­ner Träu­me war, und daß sie et­was wie ei­ne
me­ta­phy­si­sche Ba­lan­ce in mein Le­ben ge­bracht hat­te, von der ich wuß­te, daß sie
vor­über­ge­hend war und oh­ne Hoff­nung, aber doch voll

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