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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
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schreibt, fand ich. Sie war ei­ne Frau für
Te­le­fo­ne und Te­le­gram­me. Wenn sie nicht da war, war we­nig zu sa­gen. Da war
Ge­fühl, aber da wa­ren we­ni­ge Wor­te. Wenn sie da war, war al­les rich­tig und voll
und auf­re­gend; wenn sie nicht da war, hing es wie ein Nord­licht am Him­mel,
präch­tig, aber so weit weg, als ge­hör­te es nicht zu ei­nem. Das war über­haupt
das stärks­te Ge­fühl bei ihr: das Da-Sein, das fast er­losch, wenn sie ab­we­send
war. Es war mir schon in New York auf­ge­fal­len, und es hat­te mich merk­wür­dig
be­ru­higt. Al­les war da, wenn sie in die Tür trat oder wenn ich nur ih­re Stim­me
hör­te.
    Wäh­rend ich dar­über nach­dach­te, fiel mir
ein, daß ich sie an­ru­fen könn­te. Es be­stand ein Zeit­un­ter­schied von drei
Stun­den zu New York. Ich mel­de­te das Ge­spräch an, und plötz­lich merk­te ich, daß
ich voll Er­war­tung war.
    Sie mel­de­te sich. Ih­re Stim­me war sehr weit
weg. »Na­ta­scha«, sag­te ich, »hier ist Ro­bert.«
    »Wer?«
    »Ro­bert.«
    »Ro­bert? Wo bist du? In New York?«
    »Ich bin in Hol­ly­wood.«
    »In Hol­ly­wood?«
    »Ja, Na­ta­scha. Hast du das ver­ges­sen? Was
ist los?«
    »Ich ha­be ge­schla­fen.«
    »Ge­schla­fen? Jetzt schon?«
    »Aber es ist doch mit­ten in der Nacht. Du
hast mich auf­ge­weckt. Was ist? Kommst du?«
    Ver­dammt, dach­te ich. Der al­te Feh­ler. Ich
hat­te die Rich­tung des Zeit­un­ter­schie­des ver­wech­selt. »Schlaf wei­ter, Na­ta­scha.
Ich ru­fe mor­gen wie­der an.«
    »Gut. Kommst du?«
    »Noch nicht. Ich wer­de dir das mor­gen
er­klä­ren. Schlaf wei­ter.«
    »Gut.«
    Ich hat­te einen schlech­ten Tag, dach­te ich.
Ich hät­te nicht an­ru­fen sol­len. Ich hät­te vie­les nicht ma­chen sol­len. Ich
är­ger­te mich über mich selbst. Auf was hat­te ich mich ein­ge­las­sen? Was ging
mich Holt an? Aber was konn­te mir schon pas­sie­ren? Ich war­te­te noch ei­ne
Zeit­lang, dann rief ich Kahn an. Dies­mal be­ging ich kei­nen Irr­tum. Kahn hat­te
einen leich­ten Schlaf.
    Er mel­de­te sich so­fort. »Was ist los,
Ro­bert? Wes­halb ru­fen Sie an?«
    Wir hat­ten uns al­le noch nicht dar­an
ge­wöhnt, wie Ame­ri­ka­ner zu te­le­fo­nie­ren, ein Te­le­fonat über wei­te Stre­cken war
im­mer noch gleich­be­deu­tend mit ei­ner Kri­sis oder ei­nem Un­glücks­fall. »Ist et­was
pas­siert mit Car­men?« frag­te er.
    »Nein. Ich ha­be sie ge­se­hen. Es scheint,
als möch­te sie hier blei­ben.«
    Er war­te­te einen Au­gen­blick. »Viel­leicht
über­legt sie es sich noch. Sie ist ja noch nicht lan­ge da. Hat sie je­mand
dort?«
    »Ich glau­be nicht. Höchs­tens die Wir­tin,
bei der sie wohnt. Sonst kennt sie, glau­be ich, kaum je­mand.«
    Er lach­te.
    »Und Sie? Wann kom­men Sie zu­rück?«
    »Es kann noch et­was dau­ern.«
    Ich er­zähl­te ihm die Sa­che mit Holt. »Was
hal­ten Sie da­von?« frag­te ich.
    »Tun Sie es. Sie ha­ben doch kei­ne
mo­ra­li­schen Skru­pel? Das wä­re lä­cher­lich. Oder et­wa gar sol­che aus Va­ter­lands­lie­be?«
    »Nein.« Ich wuß­te plötz­lich nicht mehr,
wes­halb ich ihn an­ge­ru­fen hat­te. »Ich ha­be an Ih­ren Brief ge­dacht.«
    »Durch­kom­men ist al­les«, sag­te er. »Wie Sie
es ma­chen, ist al­lein Ih­re Sa­che. Ich fin­de es nicht schlecht, daß Sie sich mit
die­sem Kom­plex be­schäf­ti­gen – ge­wis­ser­ma­ßen ins Un­rei­ne und oh­ne viel
Ge­fahr –, ir­gend­wann müs­sen wir es ja spä­ter al­le ein­mal, und dann im
Ernst. Das ist die große Ge­fahr, die noch vor uns liegt. Fas­sen Sie dies als
Trai­ning auf. Sie kön­nen ja im­mer auf­hö­ren, wenn es Ih­nen zu sehr an die Nie­ren
geht. Hier geht es noch – spä­ter, drü­ben, kön­nen Sie nicht. Be­trach­ten Sie
das als ei­ne Art ers­te Ab­här­tung, wenn Sie wol­len. Stimmt das?«
    »Es war ge­nau das, was ich hö­ren woll­te.«
    »Gut.« Er lach­te. »Las­sen Sie sich durch Hol­ly­wood
nicht ver­wir­ren, Ro­bert. In New York hät­ten Sie mich das nicht ge­fragt. Da wä­re
es selbst­ver­ständ­lich ge­we­sen. Hol­ly­wood er­fin­det al­ber­ne ethi­sche Maß­stä­be,
weil es selbst kor­rupt ist. Fal­len Sie nicht dar­auf rein. Es ist schon schwer
ge­nug, in New York sach­lich zu blei­ben. Sie ha­ben es bei Grä­fen­heim ge­se­hen.
Sein

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