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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
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Selbst­mord war über­flüs­sig, ei­ne Schwä­che. Er hät­te mit sei­ner Frau nie
wie­der zu­sam­men­le­ben kön­nen.«
    »Wie geht es Bet­ty?«
    »Bet­ty kämpft. Sie will den Krieg
über­le­ben. Kein Arzt hät­te ihr et­was Bes­se­res ver­schrei­ben kön­nen. Sind Sie
Mil­lio­när ge­wor­den, daß Sie trans­kon­ti­nen­ta­le Te­le­fon­ge­sprä­che füh­ren?«
    »Noch nicht.«
    Ich war­te­te noch ei­ne Zeit­lang in mei­nem
Zim­mer. Die Tür war of­fen, und ich sah ein Stück Nacht, ein Stück des
be­leuch­te­ten Pools und den obe­ren Teil ei­ner Pal­me, die im Nacht­wind ein­sam
ra­schel­te und vor sich hin­schwätz­te. Ich dach­te nach über Na­ta­scha und Kahn und
das, was Kahn ge­sagt hat­te: daß der schwie­rigs­te Teil un­se­res Zi­geu­ner­da­seins
erst kom­me, wenn wir lern­ten, daß wir in Wirk­lich­keit nir­gend­wo hin­ge­hör­ten.
Jetzt hielt uns noch die Il­lu­si­on, daß al­les sich än­dern wür­de, wenn der Krieg
vor­bei sei, wie ein ma­gne­ti­sches Feld in ei­ner ein­zi­gen Rich­tung. Es wür­de
zer­sprin­gen, wenn es erst wirk­lich so­weit wä­re. Erst dann wür­de die rich­ti­ge
Wan­der­schaft be­gin­nen.
    Es war ei­ne merk­wür­di­ge Nacht. Scott kam
noch her­ein und woll­te die Re­noir-Rö­tel­zeich­nung se­hen, die ich von Sil­vers
mit­ge­bracht hat­te. Wenn er viel ge­trun­ken hat­te, merk­te man es nur dar­an, daß
er hart­nä­ckig dar­auf be­stand, sei­nen Wil­len durch­zu­set­zen. »Ich hät­te nie dar­an
ge­dacht, einen Re­noir zu be­sit­zen«, ge­stand er. »Bis vor zwei Jah­ren hat­te ich
zu we­nig Geld. Jetzt sitzt mir der Ge­dan­ke wie ei­ne Bie­ne im Schä­del. Ein
ei­ge­ner Re­noir! Ich muß ihn ha­ben. Heu­te nacht noch!«
    Ich nahm die Zeich­nung von der Wand und
über­reich­te sie ihm. »Da ist sie, Scott.«
    Er nahm das Bild wie ei­ne Mons­tranz. »Das
hat er selbst ge­zeich­net«, sag­te er. »Mit ei­ge­ner Hand. Und ich be­sit­ze es nun!
Ein ar­mer Jun­ge aus Io­wa Ci­ty, aus dem Ar­men­vier­tel. Dar­auf müs­sen wir einen
trin­ken. Bei mir, Ro­bert. Mit dem Bild an der Wand. Ich hän­ge es so­fort auf.«
    Sein Zim­mer sah aus wie ein Schlacht­feld;
voll von Glä­sern, Fla­schen und Tel­lern, auf de­nen die Sand­wi­ches sich
hoch­ge­bo­gen hat­ten und die aus­ge­trock­ne­ten Schin­ken­schei­ben sich kon­vex
krümm­ten. Scott nahm ei­ne Pho­to­gra­phie von der Wand, die Ro­dol­fo Va­len­ti­no als
Scheich zeig­te. »Wie sieht der Re­noir dort aus? Wie ei­ne Re­kla­me für Whis­ky?«
    »Er sieht bes­ser hier aus als bei man­chem
Mil­lio­när. Bei de­nen ist er nur ei­ne Re­kla­me für ih­re Ei­tel­keit.«
    Ich blieb ei­ne Stun­de und hör­te mir Scotts
Le­bens­lauf so lan­ge an, bis er schläf­rig wur­de. Er glaub­te, er hät­te ei­ne schreck­li­che
Ju­gend ge­habt, weil er sehr arm ge­we­sen war und sich über Zei­tungs­ver­kau­fen,
Tel­ler­wa­schen und klei­ne­re De­mü­ti­gun­gen hat­te hoch­ar­bei­ten müs­sen. Ich hör­te
ihm oh­ne Sar­kas­mus zu und ver­glich sein Le­ben aber nicht mit dem mei­nen. Er
wur­de schließ­lich schläf­rig und schrieb mir einen Scheck aus. »Daß ich ein­mal
einen Scheck für einen Re­noir aus­schrei­ben könn­te!« mur­mel­te er. »Macht einen
di­rekt ängst­lich, wie?«
    Ich ging in mein Zim­mer zu­rück. Ein In­sekt
mit durch­sich­ti­gen, grü­nen Flü­geln flog um die elek­tri­sche Lam­pe. Ich
be­trach­te­te es ei­ne Zeit­lang; es war wie von ei­nem Gold­schmied aus Fi­li­gran
ge­macht, ein un­be­greif­li­ches Kunst­werk aus Zier­lich­keit und be­ben­dem Le­ben;
da­bei, sich rück­sichts­los wie ei­ne in­di­sche Wit­we zu ver­bren­nen. Ich nahm es
und trug es hin­aus in die küh­le Nacht, um es zu ret­ten. Ei­ne Mi­nu­te spä­ter war
es wie­der da. Ich sah ein, daß ich ent­we­der schla­fen oder ein win­zi­ges Le­ben
zer­stö­ren müs­se. Ich ver­such­te oh­ne Er­folg, ein­zu­schla­fen. Als ich die Au­gen
wie­der öff­ne­te, sah ich ei­ne Ge­stalt in der Tür ste­hen. Ich griff nach der
Lam­pe, um mich mit ihr zu ver­tei­di­gen. Ein jun­ges Mäd­chen in ei­nem et­was
zer­drück­ten Kleid stand in der Tür. »Oh, Ver­zei­hung«, sag­te es mit ei­nem har­ten
Ak­zent. »Kann ich

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