E.M. Remarque
Maschinenschreiben.«
Carmen lachte. »Wie es so geht, wie? Aus
den Augen, aus dem Sinn! Das macht alles viel vernünftiger.«
»Ein weiseres Wort ist selten gesagt
worden. Soll ich Kahn etwas bestellen?«
Sie dachte nach. »Wozu?«
Ein paar Hühner kamen flatternd vom Garten
hergerannt. Carmen wurde plötzlich lebendig. »Um Gottes willen, meine weißen
Hosen! Frisch geplättet!« Sie scheuchte die Tiere mit Mühe davon.
»Husch, Patrick! Weg, Emilie! Da, schon ein
Fleck!«
»Es ist gut, wenn man das Unglück beim
Namen kennt, wie?« fragte ich. »Das macht es gleich familiärer.«
Ich ging zu meinem Ford zurück und blieb
plötzlich stehen. Was hatte ich da eben gesagt? Mir war eine Sekunde, als hätte
mich von hinten jemand gestochen. Ich drehte mich halb um. »Nicht so schlimm«,
hörte ich Carmen vom Garten her rufen. »Man kann es auswaschen!«
Ja, dachte ich. Aber kann man es
auswaschen?
***
Ich verabschiedete mich von Scott.
»Ich möchte zu meiner Rötelzeichnung noch eine zweite haben«, sagte er. »Ich
bin ein Mann der Sofas und der Pendants. Wer weiß, wann Sie wiederkommen! Haben
Sie noch eine?«
»Eine Kohlezeichnung. Keine in Rötel. Sie
ist sehr hübsch; auch ein Renoir.«
»Gut. Dann habe ich zwei Renoirs. Wer hätte
das je geglaubt?«
Ich nahm die Zeichnung aus dem Koffer und
reichte sie ihm. »Ich gebe sie Ihnen am liebsten, Scott.«
»Warum? Ich verstehe doch nichts davon.«
»Sie haben Respekt, das ist fast noch
besser. Leben Sie wohl, Scott! Mir ist, als kennten wir uns seit Jahren.«
Ich hatte sie oft erlebt, diese spontane
Herzlichkeit, die meine europäische Vorsicht übersprang. Man nannte sich nach
ein paar Stunden beim Vornamen und war damit auf eine vielleicht
oberflächliche, doch herzliche Art befreundet. Freundschaft war in Amerika das
leichteste und einfachste, das es gab – in Europa das langsamste und
schwierigste. Der eine Kontinent war jung, der andere alt. Es könnte sein, daß
es daran lag. Man sollte immer so leben, als ob man Abschied nähme, dachte ich.
Tannenbaum hatte eine andere kleine Rolle
gefunden. Er war zufrieden und wollte meinen Ford kaufen. Ich erklärte ihm, daß
ich ihn dem Studio zurückgeben müsse.
»Was spielen Sie im nächsten Film?«
»Einen englischen Koch, der auf einem
Schiff dient, das von einem deutschen Unterseeboot torpediert wird.«
»Ertrinkt er?« fragte ich hoffnungsvoll.
»Nein. Er ist die komische Figur, die
gerettet wird und dann für die Besatzung des deutschen Unterseebootes kocht.«
»Vergiftet er sie?«
»Nein. Er kocht für sie Plumpudding zu
Weihnachten. Alle verbrüdern sich auf hoher See und singen englische und
deutsche Volkslieder. Sie entdecken außerdem, daß die frühere deutsche und die
englische Nationalhymne dieselbe Melodie haben. ›Heil dir im Siegerkranz‹und ›God
save the King‹. Sie entdecken das unter einem kleinen Tannenbaum mit
elektrischen Lichtern und beschließen, nach diesem Krieg nicht mehr
gegeneinander zu kämpfen. Sie finden zuviel Gemeinsames.«
»Man könnte schwarz für Sie in die Zukunft
sehen. Aber vielleicht bietet Ihre Persönlichkeit inzwischen ein Gegengewicht.«
Ich stieg in den Zug mit seinen Negerportiers,
seinen breiten, bequemen Betten aus Schaumgummi und seinen eingebauten
Privattoiletten. Tannenbaum und der Zwilling winkten. Ich hatte zum ersten Mal
seit vielen Jahren alle meine Schulden bezahlt, Geld in der Tasche, eine um
drei Monate verlängerte Aufenthaltserlaubnis und die Aussicht auf eine drei
Tage lange Reise durch Amerika an einem großen Fenster, fünfzig Schritte vom
Speisewagen entfernt.
XXVIII.
R obert«, sagte Melikow,
»ich dachte schon, du bliebst in Hollywood!«
»Das scheint fast jeder gedacht zu haben.«
Melikow nickte. Er
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