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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
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konn­te ich ihm nicht be­greif­lich ma­chen. Er
streik­te hier, es war ihm nicht at­trak­tiv ge­nug, und es ent­sprach au­ßer­dem
nicht dem, was er in fünf­zehn Schre­ckens- und Mör­der­fil­men ge­lernt hat­te. Er
woll­te mir nicht glau­ben, daß dies ganz nor­ma­le Leu­te wa­ren, die eif­rig Ju­den
tö­te­ten, so wie sie auch als Buch­hal­ter eif­rig ge­we­sen wä­ren; die, wenn das
ein­mal al­les vor­bei wä­re, wie­der Kran­ken­pfle­ger, Gast­wir­te und
Mi­nis­te­ri­al­be­am­te wer­den wür­den, oh­ne ei­ne Spur von Reue oder das Be­wußt­sein
von Un­recht, und daß sie sich auch da wie­der be­mü­hen wür­den, gu­te
Kran­ken­pfle­ger und Gast­wir­te zu sein, so, als wä­re das an­de­re vor­her nie
da­ge­we­sen und völ­lig über­deckt wor­den von den Zau­ber­wor­ten Pflicht und Be­fehl.
Es wa­ren die ers­ten Au­to­ma­ten ei­nes au­to­ma­ti­schen Zeit­al­ters, die da auf­tra­ten
und die Ge­set­ze der Psy­cho­lo­gie um­war­fen, die im­mer noch et­was mit den
Moral­ge­set­zen ver­schwis­tert wa­ren. Hier mor­de­te man oh­ne Schuld, oh­ne
schlech­tes Ge­wis­sen, oh­ne Ver­ant­wort­lich­keit, und die Mör­der wa­ren bra­ve
Staats­bür­ger, sie be­ka­men Ex­traschnaps, Ex­tra­würs­te und Ex­tra-Ver­dienst­kreu­ze,
nicht weil sie Mör­der wa­ren, son­dern weil sie einen et­was an­stren­gen­de­ren Be­ruf
hat­ten als ein­fa­che Sol­da­ten. Das ein­zig Hu­ma­ne, das sie hat­ten und das sie
et­was lie­bens­wür­dig-mensch­lich mach­te, war, daß sie ih­re klei­nen Vor­tei­le oh­ne
den Schein der Drücke­ber­ge­rei be­ka­men – denn kei­ner von ih­nen brauch­te in
den Krieg, und im Zeit­al­ter der Bom­bar­die­run­gen, wo selbst Pro­vinz­städ­te
ge­fähr­lich wur­den, wa­ren die ab­ge­le­ge­nen Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger aus zwei Grün­den
ab­so­lut si­cher: ein­mal, weil sie ab­ge­le­gen wa­ren, und zwei­tens, weil der Feind
nicht Fein­de des Re­gi­mes ver­nich­ten woll­te und da­mit auch de­ren Mör­der scho­nen
muß­te.
    Die Ant­wort des ge­pei­nig­ten Holt blieb
im­mer die­sel­be: »Nie­mand glaubt uns das, nie­mand! Wir müs­sen es mensch­lich
ma­chen! Auch das Un­mensch­li­che muß mensch­lich be­grün­det sein!«
    Ich ver­such­te ei­ne Sze­ne in das Ma­nu­skript
zu brin­gen, um die Un­mensch­lich­keit oh­ne Mensch­lich­keit zu be­wei­sen: die
Skla­ven­la­ger der deut­schen In­dus­trie. Holt wuß­te nichts da­von. Er hing an
sei­nem al­ten Kon­zept, daß ein Mör­der im­mer ein schlech­ter Mensch sei. Ich
er­klär­te ihm wie­der und wie­der, daß die Er­eig­nis­se in Deutsch­land nicht von
Men­schen an­ge­stif­tet und be­gan­gen wür­den, die vom Mond her­un­ter­ge­kom­men sei­en und
das Land ver­ge­wal­tigt hät­ten, son­dern von gu­ten Deut­schen, die sich ganz
be­stimmt auch für gu­te Deut­sche hiel­ten. Ich er­klär­te ihm, daß es lä­cher­lich
sei, an­zu­neh­men, al­le Ge­nerä­le Deutsch­lands sei­en so blind und hät­ten sol­chen
Ge­dächt­nis­schwund, daß sie nichts von den Fol­te­run­gen und Mor­den wüß­ten, die
täg­lich be­gan­gen wür­den. Und ich er­klär­te ihm auch, daß die größ­ten
In­dus­trie-Un­ter­neh­mun­gen des Lan­des Ver­trä­ge mit den Kon­zen­tra­ti­ons­la­gern
ge­schlos­sen hät­ten, um die Skla­ven dort für sehr bil­li­ge Löh­ne, die an die KZ
be­zahlt wur­den, so lan­ge ar­bei­ten zu las­sen, bis sie ar­beits­un­fä­hig wa­ren und
dann durch die Schorn­stei­ne der Kre­ma­to­ri­en ge­jagt wur­den.
    Holt war blaß. »Das kann nicht wahr sein!«
    »Es ist wahr. Zahl­rei­che Rie­sen­un­ter­neh­men
pro­fi­tie­ren von den un­glück­li­chen, ge­schun­de­nen Skla­ven. Sie ha­ben so­gar
Zweig­un­ter­neh­men ih­rer Wer­ke in der Nä­he der Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger ge­baut, um
selbst noch am Trans­port zu spa­ren. Recht ist, was dem deut­schen Volk nützt.«
    »Wir kön­nen das nicht brin­gen!« sag­te Holt
ver­zwei­felt. »Kei­ner wür­de es glau­ben!«
    »Ob­wohl Ihr Land Krieg mit Deutsch­land
hat?«
    »Trotz­dem nicht. Psy­cho­lo­gie ist
in­ter­na­tio­nal. Es wür­de als übels­ter, ver­lo­gens­ter Haß­film der nied­rigs­ten
Sor­te ge­wer­tet wer­den. 1914

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