E.M. Remarque
bleiben.«
»Hat man Sie inzwischen beschäftigt?«
»Ich habe Kleider probiert. Und ich soll im
nächsten Film eine kleine Rolle bekommen.«
»Das heißt es immer. Glauben Sie, daß Sie
eine Schauspielerin sind, Carmen?«
Sie lachte. »Natürlich nicht. Aber wer ist
schon eine?« Sie musterte mich. »Sie haben sich herausgemacht, Robert.«
»Ich habe mir einen neuen Anzug gekauft.«
»Das ist es nicht. Sind Sie dünner geworden?
Oder kommt es davon, daß Sie so braun sind?«
»Keine Ahnung. Wollen Sie mit mir essen
gehen? Ich habe Geld und kann Sie zu Romanoff führen.«
»Gut«, sagte sie zu meiner Überraschung.
Die Filmschauspieler, die bei Romanoff
saßen, interessierten sie nicht. Sie hatte sich auch nicht umgezogen. Es war
Mittag. Sie trug enge weiße Hosen. Ich sah auf diese Weise zum ersten Male, daß
sie auch einen herrlichen Hintern hatte. Es war fast zuviel: dieses tragische
Gesicht, bei dem man sogar kurze Beine in Kauf genommen hätte, und dazu
plötzlich dieser hohe, kostbare Arsch. »Haben Sie etwas von Kahn gehört?«
fragte ich.
»Er telefoniert neuerdings ab und zu. Aber
Sie haben von ihm gehört, wie? Sonst hätten Sie mich doch nicht besucht.«
»Nein«, log ich. »Ich habe Sie besucht,
weil ich bald wegfahre.«
»Warum? Finden Sie es hier nicht herrlich?«
»Nein.«
Sie studierte mich wie eine sehr junge Lady
Macbeth. »Wegen Ihrer Freundin? Es gibt doch so viele Frauen. Besonders hier.
Und eine Frau ist doch schließlich wie die andere.«
»Aber Carmen!« sagte ich. »Was für ein
Unsinn!«
»Daß es Unsinn ist, glauben nur Männer.«
Ich sah sie an. Sie hatte sich etwas
verändert. »Ist ein Mann auch wie der andere?« fragte ich. »Das dürften dann
die Frauen wieder nicht glauben.«
»Männer sind verschieden. Zum Beispiel
Kahn. Er ist eine Pest.«
»Was?«
»Eine Pest«, sagte Carmen lächelnd und
ruhig. »Erst will er, daß ich nach Hollywood fahre, und jetzt will er, daß ich
zurückkomme. Ich gehe nicht. Hier ist es warm. In New York liegt Schnee.«
»Ist das der ganze Grund?«
»Ist das nicht genug?«
»Gott segne Sie, Carmen. Wollen Sie nicht
trotzdem mitkommen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Kahn macht mich
nur verrückt. Ich bin ein einfaches Mädchen, Robert. Ich bekomme Kopfschmerzen
von seinem Gerede.«
»Er hat nicht immer nur geredet, Carmen. Er
ist das, was man einen Helden nennt.«
»Davon kann man nicht existieren. Helden
sollten sterben. Wenn sie überleben, werden sie die größten Langeweiler.«
»Was? Wer hat Ihnen das erzählt?«
»Muß mir das jemand erzählen? Sie halten
mich auch für bodenlos dumm, wie? Genau wie Kahn?«
»Im Gegenteil! Kahn hält Sie auch nicht für
dumm. Er betet Sie an.«
»Er betet mich so an, daß ich Kopfschmerzen
bekomme. Das ist noch langweiliger. Warum seid ihr alle nicht mehr natürlich?«
»Was?«
»Natürlich, wie andere Menschen. Zum
Beispiel so wie meine Wirtin. Bei euch ist immer alles gleich schwierig.«
Der Kellner brachte Macédoine des fruits.
»Genau wie das hier«, sagte Carmen. »Was für ein pompöser Name! Dabei ist es
nur aufgeschnittenes Obst mit etwas Likör.«
Ich brachte sie zu den Hühnern, der
rothaarigen Modellwirtin und ihrem Bungalow zurück. »Einen Wagen haben Sie auch
schon«, sagte das tragische Dusen-Antlitz. »Sie machen sich raus, Robert.«
»Kahn hat jetzt auch einen Wagen«, log ich.
»Einen besseren als ich. Tannenbaum hat es mir erzählt. Einen Chevrolet.«
»Einen Chevrolet mit Kopfschmerzen«,
erwiderte Carmen und wandte mir ihren herrlichen Hintern zu. »Was macht Ihre
Freundin, Robert?« fragte sie über die Schulter.
»Ich weiß es nicht. Ich habe seit einiger
Zeit nichts von ihr gehört.«
»Schreiben Sie sich nicht ab und zu?«
»Wir haben beide permanenten Schreibkrampf
in der rechten Hand; und wir können beide nicht
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