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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
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sah grau aus. »Bist du
krank?« frag­te ich.
    »Warum?« Er lach­te. »Rich­tig, du kommst aus
Ka­li­for­ni­en. Da sieht je­der New Yor­ker aus, als käme er aus dem Kran­ken­haus.
Warum bist du zu­rück­ge­kom­men?«
    »Ich bin Ma­so­chist.«
    »Na­ta­scha hat auch nicht ge­glaubt, daß du
wie­der­kämst.«
    »Was hat sie ge­glaubt?«
    »Daß du im Film un­ter­kämst.«
    Ich frag­te nicht wei­ter. Mein Emp­fang war
nicht hei­ter. Die al­te Bu­de sah ver­staub­ter und schä­bi­ger aus denn je. Ich
ver­stand plötz­lich selbst nicht, warum ich zu­rück­ge­kom­men war. Die Stra­ßen
wa­ren schmut­zig, und es reg­ne­te. »Ich muß einen Man­tel kau­fen«, sag­te ich.
    »Willst du wie­der hier woh­nen?« frag­te
Me­li­kow.
    »Ja. Es kann dies­mal ein grö­ße­res Zim­mer
sein. Hast du ei­nes frei?«
    »Das von Raoul ist frei ge­wor­den. Er ist
end­gül­tig aus­ge­zo­gen. Nach ei­nem großen Krach ges­tern. Ich weiß nicht, ob du
sei­nen letz­ten Freund ge­kannt hast.«
    »Hast du noch ein an­de­res Zim­mer?«
    »Das von Li­sa Te­ruel. Sie ist vor ei­ner
Wo­che ge­stor­ben. Zu vie­le Schlaf­ta­blet­ten. Sonst ist nichts frei. Ro­bert. Du
hät­test schrei­ben sol­len. Im Win­ter sind al­le Ho­tels be­setzt.«
    »Zwi­schen ei­nem wil­den Schwu­len und ei­ner
sanf­ten Selbst­mör­de­rin zu wäh­len ist nicht ein­fach. Gut, ich neh­me das Zim­mer
von Li­sa Te­ruel.«
    »Das ha­be ich mir ge­dacht.«
    »Warum?«
    Me­li­kow lach­te. »Ich weiß nicht, warum. Im
Som­mer hät­test du si­cher Raouls Bu­de ge­nom­men.«
    »Meinst du, daß ich jetzt we­ni­ger Angst vor
dem Tod ha­be?«
    Me­li­kow lach­te wie­der. »Nicht vor dem Tod.
Aber vor Ge­spens­tern. Wer hat schon Angst vor dem Tod? Er ist doch
un­ver­ständ­lich. Vor dem Ster­ben, das ist was an­de­res. Nun, Li­sa ist gut
ge­stor­ben. Sie sah zehn Jah­re jün­ger aus, als wir sie fan­den.«
    »Wie alt war sie?«
    »Zwei­und­vier­zig. Komm, ich zei­ge dir das
Zim­mer. Es ist sau­be­rer als al­le an­de­ren. Wir muß­ten es aus­schwe­feln. Au­ßer­dem
hat es Son­ne. Im Win­ter nicht zu ver­ach­ten. Raouls Zim­mer hat kei­ne Son­ne.«
    Wir gin­gen hin­auf. Das Zim­mer lag im ers­ten
Stock. Man konn­te hin­auf­kom­men, oh­ne von der Hal­le aus ge­se­hen zu wer­den. Ich
pack­te aus. Ein paar große Mu­scheln, die ich in ei­nem La­den in Los An­ge­les
ge­kauft hat­te, ver­teil­te ich im Zim­mer. Sie wirk­ten ver­las­sen und hat­ten ih­ren
Aben­teu­er­glanz aus der Tie­fe ver­lo­ren. »Das Zim­mer ist be­deu­tend freund­li­cher,
wenn es nicht reg­net«, sag­te Me­li­kow. »Wol­len wir et­was Wod­ka trin­ken, um uns
auf­zu­hei­tern?«
    »Nicht ein­mal das. Ich wer­de ein paar
Stun­den schla­fen.«
    »Ich auch. Man wird äl­ter. Ich ha­be
Nacht­dienst ge­habt. Mit dem Win­ter kommt das Rheu­ma. Heu­te abend ist al­les
bes­ser, Ro­bert!«
    ***
    Ich ging
nach­mit­tags
zu Sil­vers. Er emp­fing mich freund­li­cher, als ich er­war­tet hat­te. »Ha­ben Sie
Auf­trä­ge mit­ge­bracht?« frag­te er.
    »Ich ha­be ei­ne Koh­le­zeich­nung ver­kauft. Für
fünf­tau­send Dol­lar. Den klei­nen Re­noir.«
    Sil­vers nick­te. »Gut«, sag­te er zu mei­nem
Er­stau­nen.
    »Was ist los?« frag­te ich. »Ge­wöhn­lich
er­klä­ren Sie mir doch, daß wir Kopf und Kra­gen ver­lie­ren, weil wir ver­kau­fen.«
    »Das tun wir auch. Am bes­ten wä­re es, al­les
zu be­hal­ten. Aber der Krieg geht zu En­de, Ross.«
    »Noch nicht.«
    »Er geht zu En­de. Ob einen Mo­nat frü­her
oder spä­ter, spielt kei­ne Rol­le. Deutsch­land ist fer­tig. Daß die deut­schen
Na­zis wei­ter­kämp­fen bis zum letz­ten deut­schen Nicht­na­zi, ist
ver­ständ­lich – sie kämp­fen um ihr Le­ben. Daß der deut­sche Ge­ne­ral­stab
wei­ter­kämpft, ist auch ver­ständ­lich – je­der kämpft da bis zum letz­ten
Sol­da­ten um sei­ne Kar­rie­re. Trotz­dem ist Deutsch­land fer­tig. In we­ni­gen Mo­na­ten
ist al­les zu En­de. Sie wis­sen, was das heißt.«
    »Ja«, sag­te ich nach ei­ner Wei­le.
    »Es heißt, daß wir bald wie­der nach Eu­ro­pa
kön­nen«, sag­te Sil­vers. »Und Eu­ro­pa ist jetzt arm. Man wird bil­lig Bil­der
kau­fen kön­nen, wenn man in Dol­lar zahlt. Ver­ste­hen Sie jetzt?«
    »Ja«,

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