E.M. Remarque
war das noch möglich, mit den Filmen über deutsche
Gräueltaten an Frauen und Kindern in Belgien. Jetzt nicht mehr.«
»1914 war es nicht wahr, aber es wurde
verfilmt. Jetzt ist es wahr, aber man kann es nicht verfilmen, weil es niemand
glauben würde?«
»Genau das, Robert.«
Ich nickte und gab mich geschlagen.
***
Ich verkaufte in vier Wochen
vier Zeichnungen und ein Ölbild von Degas. Das Ölbild, eine Répétition de Danse,
nahm Weller. Silvers behauptete prompt, ich habe das Bild einem seiner Kunden
verkauft und kürzte mir dafür die Provision.
Es gelang mir, noch ein Pastell von Renoir
zu verkaufen. Holt nahm es mir ab und wurde es eine Woche später mit tausend
Dollar Gewinn wieder los. Das machte ihm Mut. Er erwarb noch ein kleines Bild
und verdiente wieder zweitausend Dollar daran. »Wie wäre es, wenn wir gemeinsam
in den Bilderhandel gingen?« fragte er mich.
»Dazu brauchen wir viel Geld. Bilder sind
teuer.«
»Fangen wir klein an. Ich habe Geld auf der
Bank.«
Ich schüttelte den Kopf. Ich hatte kein
besonderes Loyalitätsverhältnis zu Silvers, aber mir wurde klar, daß ich nicht
in Kalifornien bleiben wollte. Das Dasein hier blieb, trotz aller
Erschütterungen, ein Dasein in einem merkwürdigen Vakuum. Ich hing hier
irgendwo zwischen Japan und Europa in der Luft, und je sicherer ich wurde, daß
ich nicht in Amerika bleiben konnte, um so mehr wollte ich nach New York
zurück. Ich entdeckte in diesen Wochen eine fieberische Liebe zu New York, die
wahrscheinlich daher kam, daß ich mehr und mehr erkannte, daß dies ein
Intermezzo bleiben würde auf meinem Weg ins Ungewisse. Ich gab mir große Mühe,
Geld zu verdienen, ich wußte, daß ich es brauchen würde, und ich wollte nicht
daran scheitern, keines zu haben. Ich blieb deshalb länger, als der Film
dauerte.
Es war eine Zeit, in der ich selbständig
war. Ich hatte nichts zu tun, als darauf zu warten, daß ein Fisch anbiß. In den
letzten Wochen der Dreharbeiten hatte ich gespürt, daß Holt und Weller mich
zwar für unwichtige Kleinigkeiten holten, daß sie mich aber sonst vom
Manuskript fernhielten. Für sie war ich nicht mehr glaubwürdig, sie waren
überzeugt, es besser zu wissen. Das Merkwürdige daran war, daß sie beide Juden
waren und ich nicht, obschon das zum Schluß nichts mehr ausmachte. Mir glaubten
sie nur bis zu einem gewissen Grade – dann begannen sie zu zweifeln, weil
sie mich für einen arischen Überläufer hielten, der Rache nehmen und sich
selbst rechtfertigen wollte und deshalb übertrieb und erfand.
***
»In New York schneit es«,
schrieb Kahn. »Wann kommen Sie wieder? Ich habe Natascha getroffen. Sie konnte
nur wenig von Ihnen erzählen und glaubt, Sie kämen nicht wieder nach New York.
Sie war auf dem Wege ins Theater mit einem Mann, der einen Rolls-Royce hat. Was
macht Carmen? Ich höre nichts mehr von ihr.«
Ich saß am Swimming-pool, als ich diesen
Brief erhielt. Die Erde mußte schon deshalb rund sein, dachte ich, weil sich
der Horizont verschob. Vor Jahren war Deutschland meine Heimat gewesen, dann
Österreich, dann Frankreich, dann Europa, dann Afrika – und immer war das
Land erst dadurch zu meiner Heimat geworden, daß ich es verlassen hatte, nicht
weil ich dort lebte. Es tauchte dann am Horizont als Heimat auf. Jetzt war es
plötzlich New York, das am Horizont stand, und vielleicht würde Kalifornien am
Horizont erscheinen, wenn ich wieder in New York wäre. Es war fast wie in dem
Schubert-Lied vom Wanderer: Dort, wo du nicht bist, dort ist das Glück.
Ich suchte Carmen auf. Sie wohnte noch in
dem Bungalow, wo ich sie zuerst getroffen hatte. Nichts schien sich geändert zu
haben. »Ich fahre in zwei Wochen nach New York zurück«, sagte ich. »Wollen Sie
mitfahren?«
»Aber Robert! Mein Vertrag läuft noch fünf
Wochen lang. Ich muß hier
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