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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
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nicht
al­lein zu­rück­blei­ben! Was soll ich denn dann ma­chen?«
    »Ich ge­he nicht weg.«
    Der Zwil­ling, von dem ich zum ers­ten Ma­le
ge­hört hat­te, daß er Lis­sy hieß, brach­te mich auf den Flur. »Es ist ein Kreuz
mit ihr«, flüs­ter­te sie. »Sie stirbt und stirbt nicht. Und sie will in kein
Hos­pi­tal. Ich wer­de selbst krank da­bei. Ra­vic will sie in ein Kran­ken­haus
brin­gen, aber sie will lie­ber ster­ben, sagt sie. Doch sie stirbt nicht.«
    ***
    Ich über­leg­te, ob ich zu Kahn
ge­hen soll­te. Aber ich hät­te ihm nichts Er­freu­li­ches mit­tei­len kön­nen, und ich
woll­te ihm nichts sa­gen, was nicht stimm­te. Es war son­der­bar, wie ich
ver­such­te, den An­ruf bei Na­ta­scha hin­aus­zu­schie­ben. Na­he­zu all die Zeit in
Ka­li­for­ni­en hat­te ich we­nig dar­an ge­dacht. Dort hat­te ich das Ge­fühl, daß es
ein Ver­hält­nis ge­we­sen war, wie wir es uns bei­de am An­fang vor­ge­macht hat­ten,
ein Ver­hält­nis oh­ne Sen­ti­men­ta­li­tät und oh­ne Schmer­zen. Es hät­te des­halb sehr
ein­fach sein müs­sen, Na­ta­scha an­zu­ru­fen und her­aus­zu­fin­den, wie wir zu­ein­an­der
ste­hen. Kei­ner hat­te dem an­dern et­was vor­zu­wer­fen, und kei­ner hat­te
Ver­pflich­tun­gen. Trotz­dem stand der Ent­schluß, mich zu mel­den, wie ei­ne
fins­te­re Wol­ke am Him­mel, wie ei­ne Wol­ke, die im­mer dunk­ler wur­de. Mir schi­en,
als hät­te ich et­was Un­wie­der­bring­li­ches ver­säumt, et­was, das nie
wie­der­gutz­u­ma­chen wä­re und das ich durch mei­nen Un­ver­stand und durch mei­ne
Nach­läs­sig­keit nun für im­mer ver­lo­ren hät­te. Es ging fast so weit, als kön­ne
Na­ta­scha ge­stor­ben sein, so sehr ver­dich­te­te sich die un­be­stimm­te Angst, als es
Abend wur­de. Ich wuß­te, daß der Be­such bei Bet­ty et­was mit die­ser un­be­grün­de­ten
und tö­rich­ten Sor­ge zu tun hat­te, trotz­dem wich sie nicht.
    Ich rief end­lich an, als gin­ge es ums
Le­ben. Ich hör­te das Te­le­fon läu­ten und wuß­te so­fort, daß der Raum leer war.
Ich rief al­le zehn Mi­nu­ten an. Ich mach­te mir klar, daß Na­ta­scha aus­ge­gan­gen
sein konn­te, oder daß sie Auf­nah­men ma­chen muß­te. Es nütz­te we­nig, ob­schon die
Pa­nik ge­rin­ger wur­de, seit ich mich über­wun­den hat­te zu te­le­fo­nie­ren. Ich dach­te
an Kahn und Car­men, an Sil­vers und sein miß­glück­tes Aben­teu­er, ich dach­te an
Bet­ty und dar­an, daß al­le un­se­re großen Wor­te vom Glück vor dem einen an­de­ren
Wort ver­blei­chen, vor der Krank­heit. Ich ver­such­te, mich an die klei­ne
Me­xi­ka­ne­rin in Hol­ly­wood zu er­in­nern und dar­an, daß es un­zäh­li­ge schö­ne­re
Frau­en als Na­ta­scha gä­be. Es nütz­te al­les nur da­zu, neu­en Mut für den nächs­ten
An­ruf zu be­kom­men. Dann kam das al­te Num­mern­spiel, noch zwei An­ru­fe und dann
Schluß. Aber aus den zwei­en wur­den drei und vier.
    Plötz­lich war sie da. Ich hat­te den Hö­rer
schon gar nicht mehr ans Ohr ge­nom­men, son­dern ihn in mei­nem Schoß lie­gen
las­sen. »Ro­bert«, sag­te sie. »Von wo rufst du an?«
    »Von New York. Ich bin heu­te an­ge­kom­men.«
    Sie schwieg ei­ne Wei­le. »Ist das al­les?«
frag­te sie dann.
    »Nein, Na­ta­scha. Wann kann ich dich se­hen?
Ich ha­be schon zwan­zig­mal an­ge­ru­fen und bin ver­zwei­felt. Dein Te­le­fon klingt
lee­rer als al­le an­de­ren, wenn du nicht da bist.«
    Sie lach­te lei­se. »Ich bin eben erst
zu­rück­ge­kom­men.«
    »Geh mit mir es­sen«, sag­te ich. »Ich kann
dich in den Pa­vil­lon füh­ren. Sag nicht nein. Wir kön­nen auch in ei­nem Drug­sto­re
ein Ham­bur­ger es­sen. Wir kön­nen al­les tun, was du willst.«
    Ich fürch­te­te mich vor dem, was sie
ant­wor­ten könn­te; vor ei­ner lang­wie­ri­gen Aus­ein­an­der­set­zung, warum wir so lan­ge
nichts von­ein­an­der ge­hört hat­ten; vor un­nö­ti­gem, aber ver­ständ­li­chem
Be­lei­digt­sein; vor all dem Schutt und Ge­röll, die ei­ne Be­geg­nung von An­fang an
er­sti­cken konn­ten.
    »Gut«, sag­te sie. »Hol mich in ei­ner Stun­de
ab.«
    »Ich be­te dich an, Na­ta­scha! Das sind die
schöns­ten Wor­te, die ich ge­hört ha­be, seit ich New York ver­las­sen ha­be.«
    Ich horch­te in

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