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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
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die­ser An­fang war es son­der­ba­rer­wei­se, der mir in der
Ne­bel­wand Hol­ly­woods am meis­ten in Er­in­ne­rung ge­blie­ben war. Im Au­gen­blick, als
ich sie wie­der ge­se­hen hat­te, war al­les zu­rück­ge­kom­men. Jetzt scheu­te ich mich
fast, sie an­zu­se­hen, aus Furcht, mich zu ver­ra­ten. Da­bei wuß­te ich nicht
ein­mal, was zu ver­ra­ten war. Ich hat­te nur das Ge­fühl, daß ich für im­mer
un­ter­le­gen sein wür­de, wenn sie es her­aus­fän­de. Sie hat­te noch längst nicht
al­le ih­re Trümp­fe aus­ge­spielt. Sie war­te­te noch dar­auf, mir zu er­klä­ren, daß
sie mit ei­nem an­de­ren Mann ein Ver­hält­nis ha­be oder zu­min­dest mit je­mand
an­de­rem ge­schla­fen ha­be. Ich woll­te ver­hin­dern, daß sie es mir sag­te. Ich
fühl­te mich auf ein­mal nicht mehr stark ge­nug, das zu hö­ren, ob­schon ich mich
be­reits mit der Un­ter­stel­lung ge­wapp­net hat­te, daß je­mand, der dies zu­gab, es
wahr­schein­lich nicht ge­tan ha­be.
    »Al­les ist an­ders, Na­ta­scha. Ich kann es
nicht er­klä­ren. Et­was, das wich­tig ist und das man so nicht er­war­tet hat, kann
man nicht so­fort er­klä­ren. Ich bin glück­lich, daß wir zu­sam­men sind. Die Zeit
da­zwi­schen ist wie Rauch ver­schwun­den.«
    »Glaubst du?«
    »Ich schon.«
    Sie lach­te. »Das ist be­quem, wie? Ich muß
jetzt nach Hau­se. Ich bin sehr mü­de. Wir be­rei­ten die Früh­jahrs­kol­lek­ti­on vor.«
    »Ich weiß. Du bist im­mer ei­ne Jah­res­zeit
vor­aus.«
    Früh­jahr, dach­te ich. Was wird dann
ge­sche­hen sein? Ich blick­te den Wirt mit dem schwar­zen Schnurr­bart an. Wür­de er
sich dann in Pa­ris als De­ser­teur ver­ant­wor­ten müs­sen? Und was wird mit mir
ge­sche­hen sein? Dro­hend kam et­was von al­len Sei­ten auf mich zu. Mir war, als
müß­te ich er­sti­cken. Das, wor­auf ich so­lan­ge ge­war­tet hat­te, er­schi­en plötz­lich
als ei­ne kur­ze Gal­gen­frist. Ich sah zu Na­ta­scha hin­über. Sie war un­end­lich
fern. Kühl und ge­las­sen zog sie sich ih­re Hand­schu­he an. Ich woll­te et­was
sa­gen, das al­le Miß­ver­ständ­nis­se weg­bla­sen soll­te, aber mir fiel nichts ein.
Bei­na­he stumm ging ich ne­ben ihr her. Es war sehr kalt, und ein schnee­ge­la­de­ner
Wind feg­te um die Ecken. Ich fand ein Ta­xi. Wir spra­chen fast nichts. »Gu­te
Nacht, Ro­bert«, sag­te Na­ta­scha.
    »Gu­te Nacht, Na­ta­scha.«
    Es war gut, daß ich wuß­te, Me­li­kow wür­de
heu­te nacht wach sein. Es war nicht der Wod­ka, den ich brauch­te, es war je­mand,
der nichts frag­te und doch da war.

XXIX.
    I ch stand ei­ne Wei­le vor Lowys
Schau­fens­ter. Der Tisch aus dem frü­hen 18. Jahr­hun­dert war im­mer noch da. Ich
be­grüß­te ge­rührt die Re­pa­ra­tur­stel­len an den Bei­nen. Er war um­ge­ben von ein
paar Ses­seln mit al­tem Holz und neu­er Be­ma­lung, da­ne­ben stan­den ei­ni­ge
ägyp­ti­sche Klein­bron­zen, dar­un­ter ei­ne ziem­lich gu­te Kat­ze und ei­ne Fi­gur der
Göt­tin Neith, zier­lich, echt und mit gu­ter Pa­ti­na.
    Ich sah Lowy se­ni­or aus dem Kel­ler kom­men,
als wä­re er La­za­rus, der aus sei­nem Fel­sen­grab em­por­stieg. Er schi­en äl­ter
ge­wor­den, aber so hat­ten merk­wür­di­ger­wei­se al­le Be­kann­ten auf mich ge­wirkt, die
ich wie­der­ge­trof­fen hat­te – mit Aus­nah­me von Na­ta­scha. Sie war nicht äl­ter
ge­wor­den, sie hat­te sich ver­än­dert. Sie war selb­stän­di­ger und be­geh­rens­wer­ter
als frü­her. Ich woll­te nicht an sie den­ken. Der blo­ße Ge­dan­ke schmerz­te mich,
ähn­lich, als hät­te ich in ei­ner Pe­ri­ode von Blind­heit ei­ne herr­li­che
Chou-Bron­ze für ei­ne Ko­pie ge­hal­ten und ver­schenkt.
    Lowy stutz­te, als er mich vor dem Fens­ter
sah. Er er­kann­te mich nicht so­fort, die Pracht mei­nes Win­ter­man­tels und mei­ne
brau­ne Ge­sichts­far­be mach­ten mich wahr­schein­lich fremd. Au­ßer­dem nahm ich an,
daß ich die­sel­be Trau­er­mie­ne zeig­te wie er.
    Ei­ne ra­sche Pan­to­mi­me ging vor sich. Lowy
wink­te, ich wink­te zu­rück. Er hop­pel­te zur Tür. »Kom­men Sie doch rein, Ross,
was ste­hen Sie da in der Käl­te um­her! Hier ist es warm.«
    Ich trat ein. Es roch nach Al­ter, Staub und
Fir­nis. »Sie ha­ben sich

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