E.M. Remarque
wollen.«
Ich wollte sagen, daß ich nichts haben
wolle, das würde aber mein Elend nicht ändern, und es würde Frau Vriesländer
und die Köchin nur kränken. »Szegediner«, sagte ich. »Es war herrlich. Und
vielen Dank.«
»Ich habe zu danken, für die Blumen«,
erklärte Frau Vriesländer lachend. »Mein Mann schenkt mir nie welche, dieser Börsenjogi.
So nennen ihn seine Kollegen. Er studiert Joga. Wenn er meditiert, darf ihn
niemand stören – außer dann natürlich, wenn ein Anruf von der Börse kommt.
Das geht vor.«
Vriesländer verabschiedete sich. »Ich muß
telefonieren«, sagte er. »Vergessen Sie den Tip nicht.«
Ich sah den Börsenjogi an. »Irgend etwas in
mir sträubt sich dagegen«, erwiderte ich.
»Was denn?« Vriesländer kollerte plötzlich
vor unterdrücktem Gelächter. »Haben Sie etwa moralische Bedenken? Aber lieber
Ross! Wollen Sie etwa, daß die Nazis das viele Geld, das dann auf der Straße
liegt, selbst verdienen? Das steht doch wohl eher uns zu, die man beraubt hat!
Man muß logisch und pragmatisch denken. Irgendeiner wird das Geld verdienen.
Doch nicht diese Unmenschen!« Er klopfte mir zum letztenmal auf die Schulter,
kniff dem Zwilling Lissy noch einmal väterlich in den Hintern und verschwand
zum Meditieren oder Telefonieren.
Ich brachte Lissy durch die windigen
Straßen nach Hause, ich mußte mir ohnehin wegen des Gulaschs ein Taxi nehmen.
»Sie müssen grün und blau sein von der dicken Kneifzange«, sagte ich. »Jagt er
Sie auch um Ihre Schreibmaschine herum?«
»Nie. Er kneift mich nur, wenn andere es
sehen. Er will renommieren. Er ist impotent.«
Lissy stand klein, verloren und kalt
zwischen den hohen Häusern.
»Wollen Sie nicht mit heraufkommen?« fragte
sie.
»Es geht nicht, Lissy.«
»Natürlich nicht«, erwiderte sie tonlos.
»Ich bin krank«, sagte ich, ich wußte
nicht, warum. »Hollywood«, fügte ich hinzu.
»Ich will nicht mit Ihnen schlafen. Ich
will nur nicht allein in meinem toten Zimmer ankommen.«
Ich bezahlte das Taxi und ging mit ihr
hinauf. Sie wohnte in einem düsteren Zimmer mit ein paar Puppen und einem
Teddybären aus Plüsch. An der Wand hingen Postkarten von Filmschauspielerinnen.
»Soll ich uns einen Kaffee machen?« fragte
sie.
»Gern, Lissy.«
Sie lebte auf. Das Wasser summte, und wir
tranken den Kaffee. Sie erzählte mir einiges aus ihrem Leben, das ich sofort
wieder vergaß. »Schlafen Sie gut, Lissy«, sagte ich und stand auf. »Und machen
Sie keine Dummheiten. Sie sind sehr hübsch, und morgen ist auch noch ein Tag.«
***
Es schneite am nächsten Tag.
Abends waren die Straßen weiß, und die Wolkenkratzer sahen aus wie riesige
Bienenkörbe voll Schnee und Licht. Der Verkehr wurde gedämpfter, und es
schneite ununterbrochen weiter. Ich spielte Schach mit Melikow, als Natascha
hereinkam. Ihre Haare und ihre Kapuze waren mit Schnee behangen.
»Bist du im Rolls-Royce gekommen?« fragte
ich.
Sie schwieg einen Augenblick. »Ich bin mit
einem Taxi gekommen«, sagte sie dann. »Beruhigt dich das?«
»Sehr.«
»Wohin gehen wir?« fragte ich vorsichtig
und deshalb idiotisch.
»Wohin du willst.«
So kam ich nicht weiter. Ich ging zum
Ausgang des Hotels. »Es schneit in großen Flocken«, sagte ich. »Dein Pelzmantel
wird ruiniert, wenn wir nach einem Taxi suchen. Wir müssen im Hotel bleiben,
bis es aufhört.«
»Du brauchst nicht nach Gründen dafür zu
suchen, daß wir hier bleiben«, sagte sie sarkastisch. »Du mußt aber etwas zu
essen haben!«
Mir fiel plötzlich das Gulasch von
Vriesländer ein. Ich hatte es vergessen. Unsere Beziehung war noch so gespannt,
daß ich nicht daran gedacht hatte.
»Mein Gulasch!« sagte ich. »Mit Kraut, und
ich bin sicher, daß auch Dillgurken dabei sind. Unser Problem ist gelöst. Wir
speisen zu
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