E.M. Remarque
es
aus dem Fenster.«
»Da stehe Gott davor! Ich glaube, wir
können es noch retten!«
Ich drehte die elektrische Platte ab und
rührte im Topf um. Dann schüttete ich vorsichtig den Emailtopf aus, bis ich an
die angesetzten braunen Reste kam. Ich ließ sie im Topf und hängte das Ganze
vor das Fenster. »In einer Minute ist der Geruch verschwunden«, sagte ich. »Dem
Gulasch fehlt nichts.«
»Dem Gulasch fehlt nichts«, wiederholte
Natascha, ohne sich zu rühren. »Was möchtest du jetzt, du verfluchter
Kleinbürger, mit dem geretteten Gulasch? Daß ich aufstehe?«
»Ich möchte nichts, als dir eine Zigarette
und ein Glas Wodka geben. Du brauchst sie nicht zu nehmen.«
»Ich nehme sie«, erwiderte Natascha nach
einigem Nachdenken. »Von wem hast du die Lampenschirme? Mitgebracht aus
Hollywood?« – »Sie waren hier.«
»Es sind die Lampenschirme einer Frau.
Mexikanische.«
»Mag sein. Die Frau hieß Lisa Teruel. Sie
ist ausgezogen.«
»Eine Frau zieht nicht aus und läßt so
hübsche Lampenschirme zurück«, erklärte Natascha noch halb verschlafen.
»Manchmal läßt man noch mehr zurück,
Natascha.«
»Ja. Wenn die Polizei hinter einem her
ist.« Sie richtete sich auf. »Ich weiß nicht, warum, aber ich bin auf einmal
fürchterlich hungrig.«
»Das dachte ich mir. Ich auch.«
»Wie sonderbar! Ich habe nicht gern, wenn
du etwas vorher weißt.« Ich füllte die Teller. »Weißt du, Robert«, sagte
Natascha, »als du mir erzählt hast, du gingest zu dieser Gulaschfamilie, habe
ich dir nicht geglaubt. Aber du warst tatsächlich da.«
»Ich lüge so wenig wie möglich. Das ist
viel bequemer.«
»Das ist es. Ich würde dir nie vorlügen,
daß ich dich nicht betrogen habe.«
»Betrogen! Was für ein merkwürdiges Wort!«
»Warum?«
»Es setzt zwei falsche Tatbestände voraus.
Sonderbar, daß es sich so lange in der Welt gehalten hat. Es ist doch nur eine
Sache zwischen zwei Spiegeln.«
»Ja?«
»Natürlich. Nichts geschieht, als daß zwei
Spiegel schwindeln. Wer hat schon ein Recht auf das Wort ›betrügen‹? Wenn du
mit einem andern schläfst, betrügst du dich selbst – nicht mich.«
Natascha hörte auf zu essen. »Das ist
einfach, wie?«
»Ja. Wenn es ein Betrug wäre, könntest du
mich ja nicht betrügen. Der Betrug schließt den Betrug automatisch aus. Man
kann nicht mit zwei Schlüsseln zur selben Zeit ein Schloß öffnen.«
Sie warf mit einer Dillgurke nach mir. Ich
fing sie auf. »Dill ist in diesem Lande sehr selten«, sagte ich. »Man soll
nicht damit werfen.«
»Man soll auch nicht versuchen, damit
Schlösser zu öffnen!«
»Ich glaube, wir sind ziemlich albern,
wie?«
»Das weiß ich nicht. Muß man für alles eine
Bezeichnung haben, du ausgebürgerter Deutscher?«
Ich lachte. »Ich habe das entsetzliche
Gefühl, Natascha, daß ich dich liebe. Und wir haben uns soviel Mühe gegeben, es
nicht zu tun!«
»Haben wir?« Sie sah mich plötzlich
sonderbar an. »Es ändert nichts, Robert. Ich habe dich betrogen.«
»Es ändert nichts, Natascha«, erwiderte
ich. »Ich fürchte, ich liebe dich trotzdem. Was hat das eine mit dem anderen zu
tun? Es ist wie Wind und Wasser, sie bewegen einander, aber jedes bleibt
dasselbe.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Ich auch nicht. Muß man immer alles
verstehen, du nicht ausgebürgerte Angehörige vieler Länder?«
Ich glaubte aber nicht, was sie mir
erzählte. Selbst wenn etwas davon stimmte, war es mir im Augenblick
gleichgültig. Sie war wieder da, sie war bei mir, und alles andere war etwas
für Leute mit einer gesicherten Zukunft.
XXX.
I ch verkaufte die ägyptische Katze
an einen Holländer. Am Tage, als ich den Scheck erhielt, lud ich Kahn in das
Restaurant Voisin ein. »Haben Sie so viel Geld?« fragte er.
»Ich habe darin antike Vorbilder«,
erwiderte ich. »Die Alten schütteten etwas
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