E.M. Remarque
verkaufen. Ich hatte so die Statue für Natascha
gratis und dazu noch reichlich Gewinn, um mir einen neuen Hut, ein Paar
Winterschuhe und einen Schal zu kaufen und sie mit dieser Eleganz zu blenden
und in ein besseres Restaurant einzuladen.
***
Sie rief mich abends an. »Du
hast mir eine kleine Göttin geschickt«, sagte sie. »Wie heißt sie?«
»Sie ist ägyptisch, heißt Neith und ist
über zweitausend Jahre alt.«
»Wer so alt werden könnte! Bringt sie
Glück?«
»Mit ägyptischen Figuren ist das so eine
Sache. Wenn sie jemanden nicht leiden mögen, bringen sie ihm kein Glück. Diese
sollte dir Glück bringen. Sie sieht aus wie du.«
»Ich werde sie überallhin mitnehmen als
Maskottchen. Man kann sie in die Handtasche tun. Sie ist schön und bewegt einem
das Herz. Vielen Dank, Robert. Wie geht es dir in New York?«
»Ich kleide mich ein für den Winter. Hier
soll es Blizzards geben.«
»Die gibt es wirklich. Willst du morgen mit
mir essen? Ich kann dich abholen.«
Ich dachte rasch. Es ist überraschend, was
man alles in einer Sekunde überlegen kann. Ich war enttäuscht, daß sie erst
morgen kommen wollte. »Das ist schön, Natascha«, sagte ich. »Ich bin nach
sieben im Hotel. Komm, wann es dir paßt.«
»Schade, daß ich heute keine Zeit habe.
Aber ich wußte ja nicht, daß du wieder kommst, da habe ich noch ein paar
Verabredungen getroffen. Abends kann man ja schlecht allein sein.«
»Das ist wahr«, sagte ich. »Ich habe auch
eine Einladung bekommen. Von den Leuten, die so gutes Gulasch machen. Ich hätte
sie nicht anzunehmen brauchen. Es sind immer viele Leute da, es wäre also auf
einen mehr oder weniger nicht angekommen.«
»Gut, Robert. Ich komme morgen so gegen acht.«
Ich legte den Hörer auf und überlegte, ob
mein Aberglaube mir geholfen hatte oder nicht. Ich entschied, daß er mir Glück
gebracht hätte, obschon ich darüber enttäuscht war, Natascha nicht an diesem
Abend zu sehen. Die Nacht lag wie eine finstere Grube vor mir. Wochenlang war
ich ohne Natascha gewesen und hatte nicht viel darüber nachgedacht. Jetzt
schien eine einzige Nacht bereits endlos zu sein. Es war nicht die Zeit, es war
die Nacht dazwischen. Sie war der Tod, der Tag und Tage trennte.
Ich hatte nicht gelogen. Frau Vriesländer
hatte mich tatsächlich eingeladen. Ich beschloß, hinzugehen. Es war das
erstemal, daß ich als freier Mann dort erschien, im Glanz meines neuen Anzugs,
meines Wintermantels und ohne Schulden. Ich hatte Vriesländers Darlehen und
sogar den Anwalt mit der Kuckucksuhr voll bezahlt. Ich konnte das Gulasch ohne
Demut essen. Um meinem Erscheinen einen lebemännischen Schliff zu geben und
gleichzeitig meine Dankbarkeit für das Darlehen zu bekunden, brachte ich Frau
Vriesländer einen Strauß dunkelroter Gladiolen mit, die ich, da sie schon
ziemlich weit aufgeblüht waren, bei dem italienischen Blumenhändler an der
übernächsten Ecke zu einem ermäßigten Preis erstand.
»Erzählen Sie uns von Hollywood«, sagte
Frau Vriesländer.
Das war es gerade, was ich vermeiden
wollte. »Es ist so, als ob einem eine durchsichtige Plastiktüte über den Kopf
gestülpt würde«, erklärte ich. »Man sieht alles, versteht nichts, glaubt
nichts, hört nur dumpfe Geräusche, lebt wie in einem Gelatinetraum, wacht auf
und ist viel älter.«
»Ist das alles?«
»So ungefähr.«
Der Zwilling Lissy erschien. Ich dachte an
Tannenbaum und seine Zweifel. »Was macht Betty?« fragte ich. »Geht es ihr
einigermaßen?«
»Sie hat nicht allzu viel Schmerzen. Ravic
sorgt dafür. Er gibt ihr Spritzen. Sie schläft jetzt viel. Nur abends wacht sie
auf, trotz der Spritzen. Dann kämpft sie für den nächsten Tag.«
»Ist jemand bei ihr?«
»Ravic. Er hat mich weggeschickt, damit ich
einmal herauskomme.« Sie strich sich über ihr buntes Kleid. »Ich werde
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