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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
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Hau­se.«
    »Kön­nen wir das? In der Bu­de die­ses
Gangs­ters? Läßt er uns nicht durch die Po­li­zei her­aus­ho­len? Oder hast du et­wa
ein Ap­par­te­ment mit Wohn­zim­mer und Schlaf­zim­mer?«
    »Das brau­chen wir nicht. Ich woh­ne jetzt
so, daß uns nie­mand hin­aus­ge­hen sieht. Na­he­zu sturm­frei. Komm!«
    Li­sa Te­ruel hat­te hüb­sche Lam­pen­schir­me
ge­habt. Das kam mir jetzt zu­gu­te. Das Zim­mer sah durch die Schir­me abends
bes­ser aus als am Ta­ge. Die Kat­ze von Lowy stand auf dem Tisch. Die Kö­chin
Ma­rie hat­te mir mein Gu­lasch in ei­nem Email­topf mit­ge­ge­ben, ich konn­te es al­so
auf­wär­men. Ei­ne elek­tri­sche Koch­plat­te hat­te ich, ein paar Tel­ler, Mes­ser,
Ga­beln und Löf­fel auch. Ich fisch­te die Gur­ken aus dem Topf und hol­te Brot aus
dem Schrank. »Al­les ist be­reit«, sag­te ich und leg­te ein Hand­tuch auf den
Tisch. »Wir müs­sen nur war­ten, bis das Gu­lasch warm wird.«
    Na­ta­scha lehn­te ne­ben der Tür an der Wand.
»Gib mir den Man­tel«, sag­te ich, »hier ist nicht viel Raum, aber wir ha­ben ja
das Bett.«
    »So?«
    Ich hat­te mir vor­ge­nom­men, mich in acht zu
neh­men. Ich war mei­ner noch nicht si­cher. Aber es ging mir wie am ers­ten
Abend – als ich sie streif­te, fühl­te ich, daß sie fast nackt un­ter ih­rem
dün­nen Kleid war, und ich ver­gaß mei­ne Vor­sät­ze. Ich sag­te nichts. Auch
Na­ta­scha schwieg. Ich hat­te lan­ge mit kei­ner Frau mehr ge­schla­fen, und ich
be­griff, daß ei­nem al­les gleich­gül­tig sein konn­te: Skan­dal und so­gar
Ver­bre­chen, wenn das biß­chen In­di­vi­du­um in ei­nem bei­sei­te ge­scho­ben wur­de von
je­nem zwei­ten und stär­ke­ren Ich oh­ne Ge­sicht, das nur Hän­de war und ko­chen­de
Haut und sich hoch­bäu­men­des, wach­sen­des Ge­schlecht. Ich woll­te in sie hin­ein,
in das hei­ße Dun­kel, in die ro­ten Flü­gel der Lun­gen, die sich um mich le­gen
soll­ten wie Eu­len­flü­gel, in das Zu­cken des Her­zens, hin­ein und hin­auf bis
hin­ter die Au­gen, daß sie stil­le wa­ren und nicht mehr frag­ten und sich
schlos­sen, und tiefer hin­ein und hö­her hin­auf, bis nichts von un­se­ren Ichs mehr
üb­rig war als das Schla­gen des Blu­tes und das Keu­chen, das nicht mehr zu uns
ge­hör­te.
    Wir la­gen auf dem Bett, er­schöpft und
plötz­lich na­he an ei­nem rasch her­an­ge­flo­ge­nen Schlaf, der wie ei­ne leich­te
Ohn­macht war. Wäh­rend das Den­ken von den Rän­dern zu­rück­kam, wur­de es so­fort
wie­der weg­ge­schwemmt durch die wun­der­ba­re Ru­he, die das Nächs­te ist zu Gott,
die­sen kur­z­en Au­gen­blick, wo das tie­fe Ge­fühl des Ichs schon wie­der da ist,
aber das Ich selbst noch nicht; wo es ei­nem Zu­stand gleicht kurz vor der
Ge­burt, noch im Lei­be der Mut­ter, aber schon dem ei­ge­nen Le­ben zu­ge­wandt, auf
der Gren­ze, zum letz­ten Ma­le an das ani­ma­li­sche Da­sein an­ge­schmiegt, in ei­nem
Ab­schied von ihm hin­weg zu In­tel­lekt, Irr­tum und schwan­ken­der In­di­vi­dua­li­tät,
ei­nem Ab­schied, zu dem es erst nach dem letz­ten Atem­zug zu­rück­kehrt.
    Ich fühl­te Na­ta­scha ne­ben mir, ih­ren Atem,
ihr Haar und die sanf­ten Be­we­gun­gen ih­rer Rip­pen und das schwa­che Schla­gen
ih­res Her­zens. Es war noch nicht ganz sie, es war ei­ne Frau oh­ne Na­men und noch
nicht ein­mal das. Es war Atem und Herz­schlag und Haut, und erst lang­sam spül­te
sich das Be­wußt­sein her­an und wur­de zu Na­men, Hin­ge­bung und Ge­fühl, zu ei­ner
trä­gen, mü­den Hand, die ei­ne Schul­ter such­te, und ei­nem Mund, der ver­such­te,
sinn­lo­se Wor­te zu for­men.
    Ich glitt lang­sam wie­der in die­sen Zu­stand
des Sich-und-den-an­dern-Wie­der­fin­dens, in die­ses er­schöpf­te Schwei­gen, von dem
man nicht weiß, was man mehr fühlt, das Schwei­gen oder die Be­sin­nungs­lo­sig­keit
vor­her – in die­sem Zu­stand glaub­te ich plötz­lich einen schwa­chen
Brand­ge­ruch zu be­mer­ken. Einen Au­gen­blick dach­te ich an ei­ne Hal­lu­zi­na­ti­on, an
ein Par­al­lel­schwin­gen zwi­schen Kör­per und Ein­bil­dung, dann aber sah ich den
ko­chen­den Email­topf auf der Koch­plat­te.
    »Ver­dammt, das Gu­lasch!« Ich schnell­te auf.
    Na­ta­scha öff­ne­te halb die Au­gen. »Wirf

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