E.M. Remarque
früher eine Delikatesse, stößt mir jetzt sauer auf. Von einer
Gänsekeule mit Sauce und gelben Erbsen gar nicht mehr zu reden. Ich schwinde
dahin. Das Furchtbare ist, daß die Person auch noch etwas vom Geschäft
versteht. Sie fährt mir über den Mund, wenn ich klage wie an den Wassern
Babylons, und nennt mich einen Antichristen. Das soll das Seitenstück zu einem
Antisemiten sein. Und ihr Gelächter! Sie lacht den ganzen Tag! Sie lacht, daß
sie bebt, die ganzen hundertsechzig Pfund an ihr. Es ist nicht zum Aushalten!«
Lowy hob die Arme.
»Herr Ross, kommen Sie zurück! Zusammen mit
Ihnen werde ich es leichter haben. Kommen Sie in unser Geschäft zurück, ich
erhöhe auch Ihr Gehalt!«
»Ich bin noch bei Silvers. Es geht nicht,
Herr Lowy. Vielen Dank.«
Sein Gesicht zeigte Enttäuschung. »Auch
dann nicht, wenn wir uns mehr auf Bronzen umstellen? Es gibt auch bronzene
Heilige.«
»Aber sehr wenige. Es geht nicht, Herr
Lowy. Ich bin jetzt unabhängig bei Silvers und verdiene sehr gut.«
»Natürlich! Der Mann hat ja keine Unkosten.
Selbst wenn er pissen geht, kann er es noch von der Steuer absetzen!«
»Auf Wiedersehen, Herr Lowy. Ich werde nie
vergessen, daß Sie mir meinen ersten Job gaben.«
»Was ist? Sie reden ja, als wollten Sie
sich verabschieden. Wollen Sie etwa zurück nach Europa?«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Sie reden so merkwürdig. Tun Sie es nicht,
Herr Ross! Kein Aas hat sich drüben verändert, ob sie den Krieg nun verlieren
oder nicht. Glauben Sie Raoul Lowy!«
»Sie heißen Raoul mit Vornamen?«
»Ja. Meine gute Mutter las Romane. Raoul!
Blöd, was?«
»Nein. Es beglückt mich. Warum, weiß ich
nicht. Vielleicht, weil ich jemanden kenne, der auch Raoul heißt. Er hat
allerdings andere Probleme als Sie.«
»Raoul«, murmelte Lowy düster. »Vielleicht
habe ich deshalb nie geheiratet. So was macht unsicher.«
»Sie können das noch nachholen. Ein Mann
wie Sie.«
»Wo?«
»Hier in New York. Hier gibt es doch mehr
gläubige Juden als irgendwo anders.«
In Raouls Augen kam Leben. »Eigentlich
keine schlechte Idee! Ich habe nie daran gedacht. Aber jetzt, mit diesem
Deserteur von einem Bruder!« Er versank in Nachdenken.
Plötzlich grinste er. »Das ist das erstemal
in Wochen, daß ich lache«, sagte er. »Die Idee ist gut. Glänzend sogar. Selbst
wenn ich es nicht tue. Es ist, als ob man einem Wehrlosen einen Knüppel in die
Hand gebe.« Er wandte sich mir ungestüm zu. »Ist da irgend etwas, was ich für
Sie tun kann, Herr Ross? Wollen Sie einen Heiligen zum Einkaufspreis haben?
Einen Sebastian aus dem Rheinland?«
»Nein. Was kostet die Katze?«
»Die Katze? Das ist eines der rarsten und
feinsten ...«
»Herr Lowy«, unterbrach ich ihn. »Ich habe
bei Ihnen gelernt. Die Ornamente sind unnötig. Was kostet die Katze?«
»Für Sie privat oder zum Verkauf?«
Ich zögerte eine Sekunde. Einer meiner
abergläubischen Einfälle kam mir: Wenn ich jetzt ehrlich war, würde ein
unbekannter Gott mich belohnen und Natascha würde mich anrufen. »Zum Verkauf«,
sagte ich.
»Bravo! Sie sind ehrlich. Hätten Sie gesagt
privat, hätte ich es nicht geglaubt. Also: fünfhundert Dollar! Einkaufspreis,
ich schwöre es.«
»Dreihundertfünfzig. Höher geht mein Kunde
nicht.«
Wir einigten uns auf
vierhundertfünfundzwanzig. »Wenn ich schon soviel verliere, dann will ich ganz
bankrott werden«, sagte ich. »Was kostet die kleine Figur der Neith? Sechzig
Dollar! Ich will sie verschenken.«
»Hundertzwanzig. Weil Sie sie verschenken
wollen.«
Ich bekam sie für neunzig. Raoul packte die
zierliche Göttin ein. Ich schrieb ihm Nataschas Adresse auf. Er versprach, sie
mittags selbst abzuliefern. Die Katze nahm ich mit. Ich wußte jemanden in
Hollywood, der verrückt nach einem solchen Tier war. Ich konnte sie ihm für
sechshundertfünfzig Dollar
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