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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
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deut­sche Ak­ti­en. Nach dem
Waf­fen­still­stand wer­den sie für ein But­ter­brot zu ha­ben sein. Und sie wer­den
stei­gen, stei­gen, stei­gen. Man kann das Land po­li­tisch has­sen, zu sei­ner
Öko­no­mie kann man Ver­trau­en ha­ben. Ein schi­zo­phre­nes Volk. Tüch­ti­ge
Wirt­schaf­ter, Wis­sen­schaft­ler und Mas­sen­mör­der.«
    »Ja«, sag­te ich bit­ter. »Und oft bei­des
zu­gleich in ei­ner Per­son.«
    »Wie ge­sagt: schi­zo­phren. Sei­en Sie auch
schi­zo­phren: Ma­chen Sie ein Ver­mö­gen und has­sen Sie die Na­zis.«
    »Klingt das nicht sehr prag­ma­tisch?«
    »Nen­nen Sie es, wie sie wol­len. Wo­zu sol­len
die Ge­schäfts­kon­zer­ne, die Skla­ven­ar­bei­ter zu To­de ge­schun­den ha­ben, hin­ter­her
noch ein Ver­mö­gen ver­die­nen?«
    »Sie wer­den es ver­die­nen«, sag­te ich. »Das
und sämt­li­che Eh­ren, Or­den, Pen­sio­nen und al­le Mil­lio­nen. Ich bin nicht um­sonst
dort ge­bo­ren. Wir ha­ben es nach dem ers­ten Krieg ge­se­hen. Ge­hen Sie wie­der
zu­rück, Herr Vries­län­der?«
    »Kei­nen Schritt! Mein Ge­schäft kann ich
durchs Te­le­fon er­le­di­gen. Wenn Sie Geld brau­chen, stre­cke ich Ih­nen gern
tau­send Dol­lar vor. Da­mit kann man drü­ben im Frie­den al­ler­lei an­fan­gen.«
    »Dan­ke. Ich wer­de Ihr An­ge­bot viel­leicht
an­neh­men.«
    Mir schi­en einen Mo­ment, als ha­be es einen
Kurz­schluß von ei­ner hun­derts­tel Se­kun­de im Licht des Sa­lons ge­ge­ben, so, als
wä­re das Licht nicht aus­ge­gan­gen, son­dern hin- und her­ge­schüt­telt wor­den, doch
gleich dar­auf brann­te es wie­der strah­lend und ru­hig. Es war ein Au­gen­blick, in
dem ein dro­hen­der, fins­te­rer Wunsch, der Angst und Un­mög­lich­keit in sich trug,
plötz­lich mit ei­nem un­sicht­ba­ren Ruck Rea­li­tät wur­de. Was Vries­län­der mir
an­bot, war für mich nicht et­was, um Ge­schäf­te zu ma­chen. Es war die Mög­lich­keit
zu­rück­zu­keh­ren, war das Geld, das ich da­zu brauch­te, mehr so­gar, reich­lich,
ge­nü­gend, um das Land zu er­rei­chen, das wie ei­ne schwar­ze Wol­ken­wand in mei­nen
Träu­men im­mer nä­her auf mich zu­ge­kro­chen war. Ich stand un­ter den Kron­leuch­tern
und starr­te ge­blen­det vor mich hin, oh­ne mehr zu se­hen als ei­ne un­be­stimm­te,
schwim­men­de Hel­lig­keit un­ter mei­nen Au­gen.
    Ich brauch­te noch Zeit, mich zu fas­sen. Es
war, als wä­re ich in ei­ne Wind­ho­se ge­ra­ten. Al­les wir­bel­te jetzt um mich her­um,
Licht und Schat­ten, und da­zu hör­te ich Kahns Stim­me. »Ihr Gu­lasch wird von der
Kö­chin ab­ge­füllt. Sie kön­nen es ab­ho­len in der Kü­che, und wir kön­nen dann
flie­hen. Wol­len wir?«
    »Was? Flie­hen? Wann?«
    »Wann Sie Lust ha­ben. Gleich, wenn Sie
wol­len.«
    »Ach so!« Ich ver­stand Kahn wie­der. »Ich
kann noch nicht«, sag­te ich. »Ich ha­be noch ein paar Sa­chen zu er­le­di­gen. Ich
muß noch blei­ben, Kahn.« Ich woll­te mich sam­meln, das ging am bes­ten im
Durch­ein­an­der der Ge­sell­schaft. Ich woll­te auch nicht mit Kahn re­den, ge­ra­de
jetzt nicht. Al­les war noch zu un­be­stimmt, neu und schat­ten­haft groß.
    »Gut«, er­klär­te Kahn. »Ich ge­he. Ich kann
es nicht mehr aus­hal­ten in die­ser Brü­he von Auf­re­gung, Sen­ti­men­ta­li­tät und
Un­ge­wiss­heit. Hun­dert ge­blen­de­te Vö­gel flat­tern plötz­lich ge­gen die Stä­be ih­res
Kä­figs und ent­de­cken auf ein­mal, daß sie nicht mehr aus Stahl sind, son­dern aus
ge­koch­ten Spaghet­tis. Jetzt wis­sen sie nicht, ob sie sin­gen oder kla­gen sol­len.
Ein paar sin­gen schon«, füg­te er grim­mig hin­zu. »Bald wer­den sie wis­sen, daß da
nichts zu sin­gen ist, und daß man ih­nen jetzt auch noch ihr Letz­tes ge­nom­men
hat: das ro­man­ti­sche Heim­weh und den ro­man­ti­schen Haß. Zer­stö­rung kann man
nicht mehr has­sen. Gu­te Nacht, Ro­bert.«
    Er war sehr blaß. »Ich kom­me viel­leicht
spä­ter noch vor­bei«, sag­te ich er­schro­cken.
    »Tun sie es nicht. Ich ge­he schla­fen. Mit
zwei Schlaf­ta­blet­ten. Fürch­ten Sie nichts«, sag­te er, als er mein Ge­sicht
be­merk­te. »Ich tue mir nichts an. Ha­ben Sie noch ei­ne fröh­li­che Zeit auf die­ser
ver­matsch­ten Sie­ges­fei­er, die das ge­naue Ge­gen­teil

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