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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
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Wenn man nichts weiß
und nichts fragt in New York, ist man am si­chers­ten.«
    »Gut, Wla­di­mir. Du bist dün­ner ge­wor­den.
Warum hat es so lan­ge ge­dau­ert, bis du frei­ge­las­sen wor­den bist?«
    »Das soll dei­ne letz­te Fra­ge ge­we­sen sein.
Glaub mir, Ro­bert, es ist bes­ser. Und mei­de mich.«
    »Nein«, sag­te ich.
    »Doch. Und jetzt wol­len wir einen Wod­ka
trin­ken. Es ist ei­ni­ge Zeit ver­gan­gen, seit ich einen ge­habt ha­be.«
    »Du siehst nicht gut aus. Dün­ner und
trau­rig. Hof­fent­lich wird sich das bald än­dern.«
    »Ich bin in der Haft sieb­zig ge­wor­den. Und
mein ver­damm­ter Blut­druck ist zu hoch.«
    »Da­für gibt es Mit­tel.«
    »Ro­bert«, sag­te Me­li­kow lei­se. »Ge­gen
Sor­gen gibt es nicht vie­le Mit­tel. Ich will nicht im Ge­fäng­nis ster­ben.«
    Ich schwieg. Drau­ßen tropf­te das Tau­was­ser
vom Dach. »Kannst du nicht ...« sag­te ich dann lei­se, »kannst du nicht das,
was ich in Ge­fahr ge­tan ha­be, auch tun? Ame­ri­ka ist groß, und die Mel­de­pflicht
exis­tiert nicht. Au­ßer­dem sind die Staa­ten sehr selb­stän­dig und ha­ben ei­ge­ne
Ge­set­ze. Dies ist kein Vor­schlag, ich re­de nur so vor mich hin.«
    »Ich will nicht ge­jagt und ge­sucht wer­den.
Nein, Ro­bert, ich muß es mit dem Glück ver­su­chen. Da­mit, daß die Leu­te mir
hel­fen, die mich zu­nächst ein­mal her­aus­ge­bracht ha­ben. Ver­ges­sen wir al­les
an­de­re.« Er lä­chel­te krampf­haft. »Trin­ken wir un­se­ren Wod­ka und hof­fen wir auf
einen Herz­in­farkt, so­lan­ge wir noch frei sind.«
    ***
    Die Toch­ter
Vries­län­ders ver­lob­te sich im März mit ei­nem Ame­ri­ka­ner. Sie hei­ra­te­te im
April. Vries­län­der be­schloß, zwei Emp­fän­ge zu ge­ben – einen als
Ame­ri­ka­ner, den an­de­ren als ehe­ma­li­ger Emi­grant. Er war zwar fest ent­schlos­sen,
täg­lich mehr Ame­ri­ka­ner zu wer­den, und er be­trach­te­te die Hei­rat sei­ner Toch­ter
mit ei­nem ech­ten, ge­bo­re­nen Ame­ri­ka­ner als einen be­deu­ten­den Schritt wei­ter in
die­ser Rich­tung, aber er woll­te uns Staa­ten­lo­sen gleich­zei­tig zei­gen, daß er
sei­ne Her­kunft zwar ver­schwei­gen, aber nicht ver­leug­nen woll­te. Aus die­sem
Grun­de gab es ei­ne ech­te Hoch­zeits­fei­er mit den An­ge­hö­ri­gen des Man­nes,
Ori­gi­nal-Mayflower-Leu­ten, und ei­ni­gen aus­ge­wähl­ten Emi­gran­ten, die ent­we­der
schon ein­ge­bür­gert oder Pro­fes­so­ren wa­ren, und ei­ne spä­te­re für die ein­fa­chen
Staa­ten­lo­sen und das är­me­re Volk. Ich hat­te kei­ne Lust, dort hin­zu­ge­hen, aber
Na­ta­scha, die blind vor Gier wur­de, wenn sie an das Sze­ge­di­ner Gu­lasch der
Kö­chin Vries­län­ders dach­te, hat­te dar­auf be­stan­den, weil sie glaub­te, ich wür­de
wie­der einen Topf voll nach Hau­se brin­gen.
    Es war, wie Vries­län­der es aus­drück­te, ei­ne
Art Ab­schied­s­abend und ein neu­er An­fang. »Die Wan­de­rung durch die Wüs­te nä­hert
sich dem En­de«, er­klär­te er.
    »Wo ist das Ge­lob­te Land?« frag­te Kahn
iro­nisch.
    »Hier« er­wi­der­te Vries­län­der er­staunt, »wo
sonst?«
    »Dann ist das hier ei­ne Sie­ges­fei­er, wie?«
    »Ju­den fei­ern kei­ne Sie­ge, Herr Kahn. Ju­den
fei­ern, daß sie durch­ge­kom­men sind«, er­klär­te Vries­län­der.
    »Kommt das jun­ge Paar heu­te auch?« frag­te
ich Frau Vries­län­der.
    »Nein. Es ist gleich nach der Hoch­zeit nach
Flo­ri­da ge­fah­ren.«
    »Nach Mi­a­mi?«
    »Nach Palm Be­ach. Mi­a­mi ist nicht so fein.«
    Ich er­in­ner­te mich an den Schwie­ger­sohn; er
war Ban­kier, sei­ne Vor­fah­ren wa­ren vor Jahr­hun­der­ten aus Eng­land
her­über­ge­kom­men mit der ›Mayflower‹, dem sa­gen­um­wo­be­nen klei­nen Schiff, der
Ar­che No­ah der ame­ri­ka­ni­schen Ari­sto­kra­tie, die et­wa zehn­mal so groß wie die
›Queen Ma­ry‹ ge­we­sen sein muß­te, wenn sie all die Sträf­lin­ge und Pi­ra­ten
be­her­bergt ha­ben soll, de­ren Ur­en­kel spä­ter be­haup­te­ten, ih­re Ah­nen sei­en mit
ihr an­ge­kom­men.
    Ich sah mich um. Gleich zu An­fang hat­te ich
ge­fühlt, daß die Stim­mung an­ders war als sonst. Vries­län­der ver­an­stal­te­te
sei­nen Abend für Flücht­lin­ge al­le paar Mo­na­te. An­fangs

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