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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
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Lich­ter als sonst. Auch die, die von der spar­sa­men Di­rek­ti­on
ge­wöhn­lich ab­ge­schal­tet wur­den. Um einen Tisch in der Mit­te war ei­ne
in­ter­essan­te ge­misch­te Ge­sell­schaft ver­sam­melt. Raoul prä­si­dier­te. Er hock­te
wie ei­ne schwit­zen­de Rie­sen­krö­te in ei­nem bei­ge­far­be­nen Rie­sen­an­zug an der
Schmal­sei­te des Ti­sches, der zu mei­nem Er­stau­nen weiß ge­deckt war und an dem
ein Kell­ner be­dien­te. Me­li­kow saß ne­ben ihm; au­ßer­dem war Lach­mann da mit der
Pu­er­to­ri­ca­ne­rin; der Me­xi­ka­ner mit ro­sa Schlips, stei­ner­nem Ge­sicht und
rast­lo­sen Au­gen; ein sehr blon­der jun­ger Mann, der ei­ne Baß­stim­me hat­te,
ob­schon je­der einen ho­hen So­pran ver­mu­tet hät­te; zwei Mäd­chen un­be­stimm­ten
Al­ters, zwi­schen drei­ßig und vier­zig, wach­sam, spa­nisch, reiz­voll und dun­kel.
Und auf der an­de­ren Sei­te Me­li­kows Na­ta­scha Pe­trow­na.
    »Herr Ross!« rief Raoul. »Ge­ben Sie uns die
Eh­re!«
    »Was ist pas­siert?« frag­te ich. »Ein
Mas­sen-Ge­burts­tag? Oder hat je­mand das große Los ge­zo­gen?«
    »Set­zen Sie sich zu uns, Herr Ross«,
er­wi­der­te Raoul mit schwe­rer Zun­ge. »Ei­ner mei­ner Ret­ter«, er­klär­te er dem
blon­den jun­gen Mann mit dem Baß. »Schüt­telt euch die Hän­de! Dies ist John
Bol­ton.«
    Ich hat­te ein Ge­fühl, als hiel­te ich einen
to­ten Fisch zwi­schen mei­nen Fin­gern. Nach der tie­fen Stim­me war ich auf einen
kräf­ti­gen Hän­de­druck vor­be­rei­tet ge­we­sen. »Was möch­ten Sie trin­ken?« frag­te
Raoul. »Al­les, was Ihr Herz be­gehrt, Co­ca-Co­la, Se­ven-up, Aal­borg, Bour­bon, Rye
Scotch – mei­net­we­gen so­gar Cham­pa­gner. Was sag­ten Sie das letz­te Mal, als
mein Herz vor Trau­rig­keit schwitz­te? Al­les fließt, sag­ten Sie. Nach ei­nem al­ten
Grie­chen, wie? He­ra­klit oder De­mo­krit oder De­mo­krat. Wie es an der Sieb­ten
Ave­nue heißt: Nichts währt ewig, der schöns­te Jud wird schä­big. Wie wahr. Aber
an­de­re, jun­ge wach­sen nach. Al­so, was wol­len Sie trin­ken? Al­fons!« Er wink­te
dem Kell­ner wie ein rö­mi­scher Kai­ser.
    »Was trin­ken Sie?« frag­te ich Na­ta­scha
Pe­trow­na.
    »Wod­ka, was sonst!« er­wi­der­te sie fröh­lich.
    »Wod­ka«, sag­te ich zu Al­fons.
    »Dop­pelt!« er­klär­te Raoul mit schwim­men­den
Au­gen.
    »Ist es das Mys­te­ri­um des mensch­li­chen
Her­zens, die Lie­be?« frag­te ich Me­li­kow.
    »Es ist das Mys­te­ri­um der mensch­li­chen
Il­lu­si­on, in der je­der glaubt, der an­de­re sei sein Ge­fan­ge­ner.«
    »Le coup de foud­re«, sag­te
Na­ta­scha Pe­trow­na. »Ein­sei­tig!«
    »Was ma­chen Sie hier in die­ser
Ge­sell­schaft?«
    »Zu­fall.« Sie lach­te. »Und welch ein
präch­ti­ger. Ich muß­te ein­mal her­aus aus der ste­ri­len Mo­no­to­nie der Par­ty im
Co­lony Club. Aber dies hät­te ich nicht er­war­tet!«
    »Sie sind wie­der auf dem We­ge zum
Pho­to­gra­phen?«
    »Heu­te nicht. Warum? Wä­ren Sie
mit­ge­kom­men?«
    Ich woll­te es ei­gent­lich nicht di­rekt sa­gen
und sag­te es dann doch:
    »Ja.«
    »End­lich ein kla­res Wort«, er­wi­der­te
Na­ta­scha Pe­trow­na. »Sa­lut.«
    »Sa­lut.«
    »Sa­lut, Sal­ve, Sa­lu­te«, rief Raoul und
stieß mit al­len an. Er ver­such­te da­zu so­gar auf­zu­ste­hen, sank aber zu­rück,
wo­bei der falsche Thron­ses­sel, in dem er saß, krach­te. Die­ses al­te Haus be­saß
zu all sei­nen an­de­ren Schre­cken auch noch ei­ne neu­go­ti­sche stei­fe
Mö­belaus­stat­tung.
    Lach­mann kam wäh­rend des Pros­tens her­an.
    »Heu­te abend«, wis­per­te er mir zu, »ich
ma­che den Me­xi­ka­ner be­sof­fen.« – »Und du selbst?«
    »Ich ha­be Al­fons be­sto­chen. Er bringt mir
nur Was­ser. Der Me­xi­ka­ner glaubt, er trän­ke mit mir Te­qui­la. Hat die­sel­be
Far­be, näm­lich kei­ne.«
    »Ich wür­de lie­ber mit der Frau trin­ken«,
sag­te ich, »der Me­xi­ka­ner hat nichts da­ge­gen. Es ist ja die Frau, die nicht
will.«
    Lach­mann wur­de einen Au­gen­blick un­si­cher.
»Macht nichts«, sag­te er dann trot­zig. »Es wird schon klap­pen. Es muß ja. Es
muß, ver­stehst du?«
    »Trink mit bei­den – und mit dir
selbst. Viel­leicht fällt dir im Rausch et­was ein,

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