E.M. Remarque
namens
Brunhilde heiraten.«
Ich hörte mir den Ausbruch schweigend an.
Ich hütete mich, Lowy auf seinen umgekehrten Antisemitismus aufmerksam zu
machen. Es war auch hier wie mit dem Krieg: es gab keine Witze mehr und nicht
einmal ironische Vergleiche.
Lowy beruhigte sich. »Entschuldigen Sie«,
sagte er. »Manchmal kocht der Kaffeekessel über. Aber ich wollte mit Ihnen über
etwas anderes reden. Über Parasiten. Ich habe gestern mit einem Parasiten über
sie gesprochen. Er könnte eine Hilfe brauchen, die einige Kenntnisse von
Bildern hat. Nicht so viel, um selbst etwas abzugucken und es dann an die
Konkurrenz weiterzugeben. Jemand wie Sie, der sich lieber versteckt als
rumredet. Sie sollen sich einmal bei ihm vorstellen. Heute abend um sechs Uhr.
Ich habe für Sie zugesagt. In Ordnung?«
»Vielen Dank«, sagte ich überrascht.
»Wirklich vielen Dank!«
»Sie werden nicht allzu viel verdienen.
Aber es kommt nicht auf den Anfang an, sondern auf die Möglichkeiten, pflegte
mein Vater zu sagen. Hier ...«, Lowy macht eine Bewegung über den Laden hin.
»Hier haben Sie keine Möglichkeiten.«
»Ich bin dankbar für meine Zeit hier. Und
ich bin dankbar, daß Sie mir weiterhelfen. Warum eigentlich?«
»Das dürfen Sie nie fragen: Warum?« Lowy
betrachtete mich.
»Ja, warum? Wir sind sonst keine solchen
Menschenfreunde. Wissen denn Sie, warum? Ich glaube, weil Sie so hilflos
wirken!«
»Was?« sagte ich sehr überrascht.
»Das muß es sein«, erwiderte Lowy, selbst
überrascht. »Sie sehen dabei gar nicht so aus. Aber sie wirken so. Mein Bruder
kam auf den Gedanken, als wir über Sie sprachen. Er meinte, Sie würden Glück
bei Frauen haben.«
»So was?« meinte ich halb entrüstet.
»Nehmen Sie das nicht ernst. Ich habe Ihnen
ja erklärt, was für ein Rhinozeros mein Bruder in dieser Beziehung ist. Aber
gehen Sie mal zu dem Piraten. Silvers heißt er. Heute abend.«
***
Silvers hatte kein Schild
an der Tür. Er wohnte in einem Privathaus. Ich hatte eine Art zweibeinigen Hai
erwartet. Statt dessen sah ich einen sanften, schmächtigen und eher scheuen
Menschen, sehr gut gekleidet und zurückhaltend. Er gab mir einen Whisky-Soda
und fragte mich vorsichtig aus. Dann holte er aus einem Nebenraum zwei Bilder
und stellte sie auf eine Staffelei. »Welches Bild gefällt Ihnen besser?«
Ich deutete auf das rechte. »Warum?« fragte
Silvers.
»Muß man dafür gleich einen Grund haben?«
»Es interessiert mich. Wissen Sie, von wem
die Bilder sind?«
»Es sind zwei Zeichnungen von Degas. Das
kann doch jeder sehen.«
»Nicht jeder«, sagte Silvers mit merkwürdig
scheuem Lächeln. »Einige meiner Kunden nicht.«
»Weshalb kaufen sie dann?«
»Um einen Degas bei sich hängen zu haben«,
sagte Silvers melancholisch.
Ich erinnerte mich an die Lektion von Lowy
senior. Sie schien also zu stimmen. Ich hatte Lowy natürlich weniger als die
Hälfte geglaubt, er neigte zu Übertreibungen, besonders dann, wenn er unsicher
war.
»Bilder sind Emigranten, wie Sie«, erklärte
Silvers. »Und sie landen oft an merkwürdigen Plätzen. Ob sie sich da wohl
fühlen, ist eine andere Frage.«
Er holte zwei Aquarelle aus dem Nebenraum.
»Wissen Sie, was das ist?«
»Das sind Cézanne-Aquarelle.«
Silvers war überrascht. »Können Sie mir
auch sagen, welches das bessere ist?«
»Bei Cézanne ist jedes Aquarell gut«,
erwiderte ich. »Das teurere würde wohl das linke sein.«
»Warum? Weil es größer ist?«
»Nicht deshalb. Es ist ein spätes Bild und
schon fast kubistisch. Eine sehr schöne Landschaft aus der Provence mit dem Mont
St. Victoire. In Brüssel, im Museum, gibt es eine ähnliche.«
Das Gesicht Silvers' hatte sich verändert.
Er stand auf. »Wo haben sie früher gearbeitet?« fragte er scharf.
Ich erinnerte mich an
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