E.M. Remarque
heißt Blondi und wird von ihm
wie ein Kind gehegt. Der Reichsjägermeister, preußischer Ministerpräsident etc.
etc. Hermann der Cherusker, hält in seiner Walhalla mit der blonden Emmi
Sonnemann einen jungen Löwen, dem er gern in altgermanischer Tracht leutselig
gegenübertritt, das Hifthorn an der Seite. Und der Chef aller
Konzentrationslager, Heinrich Himmler, liebt zärtlich Angorakaninchen.«
»Dafür können die gevierteilten Krabben den
Reichsinnenminister Frick befruchten. Aber halt, als Kulturmensch und Doktor
hat er die Guillotine bereits als zu menschenfreundlich abgeschafft und durch
das alte Handbeil ersetzt. Vielleicht ist es seine nächste Idee, die Juden zu
vierteilen wie Riesenkrabben.«
»Wir sind nun einmal ein Volk«, sagte Kahn
grimmig, »dessen urtümliches, unübersetzbares Wort Gemütlichkeit heißt.«
»Es gibt noch ein anderes urteutonisches
Wort, das ebenfalls in keiner anderen Sprache vorkommt: ›Schadenfreude‹.«
»Wollen wir jetzt aufhören?« fragte Kahn.
»Unser Humor wird mühsam.«
Wir blickten uns an wie ertappte
Schulkinder. »Daß man das so schwer los wird«, murmelte Kahn.
»Geht es nur uns so?«
»Allen. Nach dem ersten oberflächlichen
Gefühl der Geborgenheit und der Vogel-Strauß-Politik des
Kopf-in-den-Sand-Steckens kommt die Gefahr. Und sie ist um so größer, je
geborgener man sich fühlt. Am besten geht es noch denen, die wie die Ameisen
nach einem Gewitter unverdrossen zu bauen anfangen – ein Nest, ein
Geschäft, eine Familie, eine Zukunft. Die aber, die warten, sind in größerer
Gefahr.« – »Warten Sie auch?«
Kahn blickte mich ironisch an. »Warten Sie
etwa nicht, Ross?«
»Doch«, sagte ich nach einer Pause.
»Ich auch. Warum eigentlich?«
»Ich weiß, warum.«
»Jeder hat Gründe. Ich fürchte nur, sie
werden zerspritzen wie Wasser auf einer heißen Herdplatte, wenn erst einmal
alles vorbei ist. Dann werden wir wieder ein paar Jahre verloren haben und
müssen wieder einmal neu anfangen. Die anderen sind uns dann um diese Jahre
voraus.«
»Was macht das?« fragte ich verwundert.
»Das Leben ist kein Hindernisrennen.«
»Nein?« fragte Kahn.
»Nicht der Konkurrenz wegen. Wollen nicht
die meisten zurück?«
»Ich glaube, keiner weiß das ganz genau.
Einige müssen zurück. Die Schauspieler, weil sie hier nichts werden können,
weil sie niemals gut genug Englisch sprechen werden. Die Schriftsteller, die
hier kein Publikum haben. Aber bei den meisten liegt der Grund anderswo.
Unbewältigtes, lausiges Heimweh. Trotz allem! Es ist zum Kotzen! Sie wissen,
wer die besten Patrioten in Deutschland waren? Die Juden. Sie haben das Land
mit einer hündischen, sentimentalen Anhänglichkeit geliebt.«
Ich schwieg. Ich dachte, daß die Juden das
Land vielleicht deshalb so übermäßig geliebt haben, weil man sie nie ganz hatte
heimisch werden lassen. Die leichte Unsicherheit hatte ihre Liebe nie zur Ruhe
kommen lassen. In der Kaiserzeit hatte man die Juden sogar geschützt, aber
später nicht mehr. Trotzdem war der Antisemitismus bis 1933 gering und
eigentlich eher eine Angelegenheit von vulgären und schwitzenden, ungewaschenen
Neurotikern gewesen.
»Das mit der Liebe zu Deutschland habe ich
erlebt«, sagte ich. »In der Schweiz. Bei einem jüdischen Kommerzienrat, den ich
anschnorren wollte. Er gab mir kein Geld. Dafür den guten Rat, nach Deutschland
zurückzukehren. Die Zeitungen lögen. Und wenn etwas stimme, dann seien es
vorübergehende, nicht zu umgehende Härten. Wo gehobelt würde, fielen Späne. Die
Juden hätten an vielem auch selbst schuld. Als ich ihm sagte, daß ich selbst im
Konzentrationslager gewesen sei, erklärte er mir, das müsse einen Grund gehabt
haben, und die
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