E.M. Remarque
Natascha Petrowna.
»Ich habe nirgendwo gearbeitet«, erwiderte ich ruhig. »Bei keiner Konkurrenz,
und ich bin kein Spion. Ich war eine Zeitlang in Brüssel im Museum.«
»Wann?«
»Während der Zeit, als es besetzt war. Ich
wurde dort versteckt, aber ich konnte entkommen, über die Grenze. Daher stammen
meine harmlosen Kenntnisse.«
Silvers setzte sich wieder. »Man kann in
unserm Beruf nicht vorsichtig genug sein«, murmelte er.
»Warum?« sagte ich, froh, keine weiteren
Erklärungen abgeben zu müssen.
Silvers zögerte etwas. »Bilder sind wie
lebende Wesen. Wie Frauen. Man soll sie nicht überall herumzeigen, wenn sie
ihren Zauber behalten sollen. Und ihren Wert.«
»Aber sie sind doch dazu gemacht?«
»Vielleicht, aber ich bin dessen nicht ganz
sicher. Für den Händler ist es wichtig, daß nicht jeder sie kennt.«
»Merkwürdig. Ich dachte, das würde den
Preis erhöhen.«
»Längst nicht immer. Bilder, die zu viel
gezeigt werden, heißen in der Fachsprache ›verbrannt‹. Im Gegensatz dazu stehen
die ›Jungfrauen‹, die immer in derselben Hand in Privatbesitz gewesen sind und
die kaum jemand kennt. Sie werden höher bezahlt. Nicht weil sie besser sind,
sondern weil da die Lust des Kenners und Sammlers am Entdecken dazukommt.«
»Und dafür bezahlt er?«
Silvers nickte. »Leider gibt es heute
zehnmal so viele Sammler wie Kenner. Die eigentliche Epoche des Sammlers, der
auch Kenner war, endete nach dem Krieg 1918. Mit jeder politischen und
wirtschaftlichen Umwälzung kommt eine finanzielle. Vermögen wechseln. Sie
werden verloren, und neue entstehen. Alte Sammler müssen verkaufen, neue
kommen, aber oft haben sie das Geld, sind aber keine Kenner. Zum Kennerwerden
gehört Zeit, Geduld und Liebe.«
Ich hörte ihm zu. In dem mit grauem Samt
ausgeschlagenen Raum mit den beiden Staffeleien schien sich die verlorene
Stille einer friedlichen Zeit gefangen zu haben. Silvers stellte ein neues Bild
auf eine der Staffeleien. »Kennen Sie das?«
»Ein Monet. Ein Mohnblumenfeld.«
»Gefällt es Ihnen?«
»Es ist herrlich. Welch ein Friede! Und
welch eine Sonne! Die Sonne von Frankreich.«
»Wir können es ja einmal versuchen«, sagte
er schließlich. »Sie brauchen hier keine großen Kenntnisse. Zuverlässigkeit und
Verschwiegenheit sind wichtiger. Wie wäre es mit sechs Dollar am Tage?«
Ich wurde mit einem Schlage lebendig. »Für
welche Zeit? Vormittag oder nachmittags?«
»Vormittags und nachmittags. Aber Sie haben
zwischendurch viel Zeit.«
»Das ist ungefähr so viel, wie ein besserer
Laufbursche verdient.« Ich erwartete jetzt, daß Silvers mir erklären würde,
meine Stellung sei auch nichts weiter. Doch er war subtiler. Er rechnete mir
vor, was bessere Laufburschen verdienen. Es war weniger.
»Ich kann es nicht unter zehn Dollar
machen«, sagte ich. »Ich habe Schulden, die ich abtragen muß.«
»Schon?«
»Für den Anwalt, der meine
Aufenthaltserlaubnis bearbeitet.«
Ich wußte, daß Silvers das von Lowy gehört
hatte, er tat aber so, als wäre das ein Makel, und er müsse sich jetzt neu
überlegen, ob er mich nehmen könne. Endlich zeigte das Raubtier seine Zähne.
Wir einigten uns auf acht, nachdem Silvers
mir mit scheuem Lächeln beigebracht hatte, daß ich ja, da ich schwarzarbeite,
keine Steuern zu zahlen hätte. Außerdem spräche ich ja auch kein fließendes
Englisch. An diesem Punkt aber faßte ich ihn. Dafür spräche ich französisch,
erklärte ich, und das sei doch in seinem Geschäft ein Vorteil. Darauf
bewilligte er mir die acht Dollar und versprach, wenn ich gut einschlage,
könnten wir noch einmal darüber reden.
***
Als ich das Hotel
erreichte, bot sich mir ein ungewöhnliches Bild. In der altmodischen Bude
brannten mehr
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