E.M. Remarque
Ich wußte, wie Augen aussahen im
Feuer.
»Der alte Oppenheimer«, fuhr Silvers
behaglich fort, »hatte eine schöne Sammlung, aber er hatte Ärger mit ihr
gehabt. Zweimal wurde ihm etwas gestohlen. Einmal bekam er es wieder, aber er
mußte die Bilder hoch versichern, um geschützt zu sein. Sie wurden ihm zu
teuer. Außerdem liebte er sie wirklich, und das Geld der Versicherung wäre kein
Ersatz gewesen. Aus Angst vor neuen Diebstählen traute er sich nicht mehr aus dem
Hause. Endlich fand er die Lösung: Er verkaufte alles an ein Museum in New
York. Plötzlich war er frei, konnte reisen, wohin er wollte, wann er wollte,
hatte Geld genug für alle seine Launen. Und wenn er seine Bilder sehen wollte,
ging er ins Museum, wo sich andere Leute um Versicherung und Diebstähle Sorgen
machen konnten. Voll Verachtung sah er auf die Besitzer und Sammler herab, bei
denen man nicht weiß, ob die Bilder ihre Gefangenen oder sie die Gefangenen
ihrer Bilder waren.« Silvers lachte wieder sein kullerndes Lachen. »Gar keine
schlechte Idee!«
Ich betrachtete ihn, brennend vor Neid.
Welch ein gepflegtes Leben! Es wiegte sich dahin in etwas Zynismus, Ironie,
gesundem, hartem Geschäft und im Reflex der Feuer, die von der Agonie der Kunst
ausgingen und die hier zu einem komfortablen Kaminfeuer geworden waren. Wer es
verstand, konnte auch auf fremden Vulkanen sein Essen kochen und sein Filet
Mignon grillen. Wenn man das lernen könnte. Doch wollte ich das wirklich? Ich
wußte es nicht, aber heute wollte ich es. Ich fürchtete mich davor, in mein
graues Zimmer im Hotel zurückzukehren.
***
Schon von der Ecke aus
sah ich den Rolls-Royce vor dem Hotel stehen. Ich ging schneller, damit ich
Natascha Petrowna noch erreichte. Wenn man etwas sehr wünscht, das hatte ich zu
oft erlebt, entwischt es einem im letzten Augenblick.
»Da ist er«, sagte Natascha, als ich in die
Plüschbude trat. »Geben wir ihm gleich einen Wodka. Oder ist es schon zu heiß
dafür?«
»Wir sollten lernen, Moscow Mules zu
machen«, sagte ich. »Die Sommer in New York scheinen Sommer in einer
Riesenküche zu sein. Anders als in Paris.«
»Ich bin heute wieder eine Hochstaplerin«,
erklärte Natascha Petrowna. »Der Rolls-Royce mit Chauffeur gehört mir bis elf
Uhr. Wollen Sie riskieren, mich noch einmal auszufahren?«
Sie blickte mich herausfordernd an. Ich
überschlug mein Geld. »Wohin?« fragte ich.
Sie lachte. »Nicht Longchamps. Fahren wir
zum Central Park und essen wir ein Hamburger.« – »Mit Coca-Cola?«
»Mit einem Bier, um Ihre europäischen
Gefühle zu schonen.«
»Gut.«
»Sie wollte mich auch mitschleppen«, sagte
Melikow, »aber ich bin bei Raoul eingeladen.«
»Zu einer Trauerfeier oder einem
Freudenmahl?« fragte Natascha.
»Zu einer geschäftlichen Unterredung. Raoul
will ausziehen und eine Wohnung mieten. Er will mit John bürgerlich werden. Ich
soll ihm das ausreden. Befehl vom Chef.«
»Welchem Chef?« fragte ich.
»Dem Mann, dem dieses Hotel untersteht.«
»Das klingt, als wären wir das Ritz. Wer
ist dieser geheimnisvolle Chef? Habe ich ihn schon gesehen?«
»Nein«, erwiderte Melikow kurz.
»Ein Gangster mit Familie«, sagte Natascha.
Melikow sah sich um. »Sie sollten nicht so
reden, Natascha. Es ist ungesund.«
»Ich kenne ihn. Ich habe ja hier gewohnt.
Er ist dick, schwammig, trägt etwas zu enge Anzüge und wollte mit mir
schlafen.« – »Natascha Petrowna!« sagte Melikow scharf.
»Gut, Wladimir, Ihretwegen. Reden wir von
etwas anderem. Aber er wollte mit mir schlafen.«
»Wer möchte das nicht, Natascha.« Melikow
lächelte wieder.
»Immer die falschen, Wladimir. Es ist ein
verfluchtes Los. Geben Sie mir noch einen kleinen Wodka.« Sie wandte sich an
mich. »Der Wodka ist hier so
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