Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
Vom Netzwerk:
ein Deut­scher, dach­te ich, wäh­rend
ich mit hal­b­em Ohr sei­nen Dar­le­gun­gen lausch­te und ei­ne Mög­lich­keit zu
ent­kom­men such­te. Die Kol­ler-Zwil­lin­ge er­schie­nen mit großen Plat­ten voll
Öl­sar­di­nen, Hüh­ner­le­ber, Thun­fisch und Ma­yon­nai­se. Sie teil­ten Tel­ler aus. Ich sah,
daß Mey­er II. der ge­le­gent­lich bei Bet­ty auf­tauch­te, ei­ner ver­stoh­len in den
al­ler­dings sehr ver­lo­cken­den Hin­tern kniff. Das Le­ben be­gann wie­der, sich zu
rüh­ren. Es war scheuß­lich oder groß­ar­tig, je nach­dem, wie man es nahm.
Ein­fa­cher war es, dies groß­ar­tig zu fin­den.
    ***
    Ich ver­brach­te den
Nach­mit­tag mit Be­leh­run­gen durch Sil­vers. Er üb­te mit mir einen Trick, in dem
ich er­klär­te, daß ein Bild nicht vor­han­den sei, ob­wohl es sich in Wirk­lich­keit
im Ka­bi­nett be­fand. Es war ent­we­der bei ei­nem der Rocke­fel­lers, Fords oder
Mê­li­ons zur An­sicht. »Sie glau­ben nicht, wie das wirkt«, er­klär­te Sil­vers. »Der
Sno­bis­mus und der Neid sind zwei un­schätz­ba­re Bun­des­ge­nos­sen des Kunst­händ­lers.
Eben­so wie ein Bild ja auch wert­vol­ler wird, wenn es ein­mal im Lou­vre oder im
Me­tro­po­li­tan-Mu­se­um aus­ge­stellt war. Ob­schon es doch das­sel­be Bild bleibt,
ge­nügt für die un­te­ren Schich­ten der Kunst­käu­fer al­lein die Tat­sa­che, daß ein
Mil­lio­när sich da­für in­ter­es­siert, um es be­geh­rens­wer­ter zu ma­chen.«
    »Und je­ne Käu­fer, die Bil­der lie­ben?«
    »Der ech­te Samm­ler? Ist wie­der ein­mal am
Aus­ster­ben. Man sam­melt heu­te, um Geld an­zu­le­gen oder zu prot­zen.«
    »Frü­her nicht?«
    Sil­vers sah mich iro­nisch an. »In sta­bi­len
Zei­ten we­ni­ger, da hat das Kunst­ver­ständ­nis Zeit, sich über ein bis zwei
Ge­ne­ra­tio­nen hin­weg zu ent­wi­ckeln. Nach je­dem Krie­ge fin­det ei­ne Um­schich­tung
der Ver­mö­gen statt, al­te wer­den ver­lo­ren, neue ge­bil­det. Al­te Samm­lun­gen wer­den
auf­ge­löst, Neu­rei­che wol­len Samm­ler wer­den. Nicht aus un­still­ba­rer Lie­be zur
Kunst. Wie soll ein Grund­stückss­pe­ku­lant oder ein Waf­fen­fa­bri­kant sie auch so
plötz­lich ent­wi­ckeln? Sie kommt erst nach den ers­ten paar Mil­lio­nen. Zu­meist,
weil die Frau es nicht mehr er­trägt, kei­nen Mo­net zu ha­ben, wenn die John­sons
schon zwei ha­ben. Es ist wie mit den Ca­dil­lacs und Lin­colns.« Sil­vers lach­te
sein sanf­tes gut­tu­ra­les La­chen, das klang, als glucks­te ei­ne Quel­le in sei­ner
Brust. »Die ar­men Bil­der. Sie wer­den in Skla­ven ver­wan­delt.«
    »Wür­den Sie ei­nem ar­men Men­schen ein Bild
für einen Teil sei­nes Wer­tes ver­kau­fen, weil er das Bild mehr als sein Le­ben
liebt, aber kein Geld hat, es zu be­zah­len?« frag­te ich.
    Sil­vers strich sich sei­nen Bart. »Es wä­re
leicht, zu lü­gen und zu ant­wor­ten: Ja. Ich wür­de es aber nicht tun. Der ar­me
Mensch kann um­sonst ins Me­tro­po­li­tan-Mu­se­um ge­hen und je­den Tag Rem­brandts,
Cézan­nes, De­gas', In­gres und fünf Jahr­hun­der­te Kunst nach Her­zens­lust
be­trach­ten.«
    Ich ließ nicht nach. »Das könn­te ihm
viel­leicht nicht ge­nü­gen. Er möch­te ei­nes selbst be­sit­zen, um es im­mer, zu
je­der Zeit, auch nachts, an­be­ten zu kön­nen.«
    »Dann soll er Dru­cke nach Pas­tel­len und
Zeich­nun­gen kau­fen«, er­wi­der­te Sil­vers un­ge­rührt. »Die Dru­cke sind heu­te so
gut, daß Samm­ler dar­auf her­ein­fal­len und sie für Ori­gi­na­le kau­fen.«
    Ihm war nicht bei­zu­kom­men. Ich woll­te es
auch gar nicht. Ich woll­te nur nicht über et­was an­de­res nach­den­ken. Als ich von
Bet­ty weg­ging, hat­te Car­men plötz­lich ge­sagt: »Der ar­me Herr Mol­ler! Da brennt
er jetzt im Kre­ma­to­ri­um!« Die Idio­tie, ihn im­mer noch als Herrn zu be­zeich­nen,
hat­te mich ge­reizt, aber das war lä­cher­lich ge­we­sen – was ge­blie­ben war
wie ein Zahn­schmerz, war das Kre­ma­to­ri­um. Es war nicht nur ein Bild. Ich kann­te
es. Ich wuß­te, was ge­sch­ah, wenn sich im Feu­er der To­te auf­bäum­te, als er­lei­de
er einen letz­ten gräß­li­chen Schmerz, und das Ge­sicht sich zer­rei­ßend ver­zerr­te,
um­weht von der Lo­he der ver­brann­ten Haa­re.

Weitere Kostenlose Bücher