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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
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ent­ge­hen
kann, macht al­les leicht schief, über­trie­ben und un­ehr­lich. Da­zu kam, daß ich
ner­vös war.
    Der schmerz­li­che Ge­dan­ke an das Kre­ma­to­ri­um
hat­te mich mehr und mehr er­regt, als ich mich ge­mäch­lich der 14. Stra­ße
nä­her­te. Ich hat­te in­zwi­schen er­fah­ren, daß die Fu­ne­ral Ho­mes na­tür­lich kein
ei­ge­nes Kre­ma­to­ri­um hat­ten – das hat­ten nur deut­sche
Kon­zen­tra­ti­ons­la­ger –, aber die­ser Ge­dan­ke saß mir wie ei­ne Hor­nis­se im
Schä­del und ließ sich nicht ver­trei­ben. Es war für mich schwie­rig ge­nug, dar­an
er­in­nert zu wer­den, und ich hat­te mir vor­ge­nom­men, daß ich mich, soll­ten wir
nach der Trau­er­fei­er noch mit­fah­ren müs­sen zur Ein­äsche­rung, wie das frü­her in
Eu­ro­pa Sit­te war, wei­gern wür­de. Nicht nur wei­gern – daß ich ein­fach
ver­schwin­den wür­de.
    Lip­schütz sprach. Ich hör­te nicht zu. Ich
war be­nom­men von der Schwü­le und dem star­ken Ge­ruch der Blü­ten auf dem Sarg.
Ich sah Vries­län­der und Ra­bi­no­witz. Et­wa zwan­zig bis drei­ßig Leu­te wa­ren
ge­kom­men. Die Hälf­te kann­te ich nicht; bei ei­ni­gen sah man, daß es
Schrift­stel­ler und Schau­spie­ler wa­ren. Auch die Kol­ler-Zwil­lin­ge wa­ren da, mit
leuch­ten­den Haa­ren sa­ßen sie ne­ben Vries­län­der und sei­ner Frau. Kahn war al­lein
da, er war nicht mit Car­men zu­sam­men, die zwei Bän­ke vor ihm saß, und ich hat­te
den Ein­druck, daß sie wäh­rend der Re­de von Lip­schütz schlief. Das Gan­ze war
auch von der üb­li­chen In­kon­se­quenz je­der Trau­er­fei­er. Et­was für im­mer
Un­vor­stell­ba­res hat­te laut­los zu­ge­schla­gen, und man ver­such­te, es mit Ge­be­ten,
Or­gel­klang und Wor­ten in et­was Vor­stell­ba­res zu ver­wan­deln, wo­bei man es
barm­her­zig und klein­bür­ger­lich ver­fälscht.
    Plötz­lich stan­den vier Män­ner mit schwar­zen
Hand­schu­hen ne­ben dem Sarg, ho­ben ihn mit Grif­fen, die in ih­rer Ge­übt­heit an
Scharf­rich­ter­ge­hil­fen den­ken lie­ßen, rasch und leicht hoch und mar­schier­ten auf
Gum­mi­soh­len ziem­lich schnell hin­aus. Es war vor­über, ehe man es ge­glaubt hät­te.
Als sie dicht an mir vor­über­ka­men, war mir, als he­be es mir plötz­lich den Ma­gen
hoch, und dann fühl­te ich zu mei­ner Über­ra­schung, daß mei­ne Au­gen feucht wa­ren.
    Wir gin­gen hin­aus. Ich blick­te mich um, der
Sarg war ver­schwun­den. Am Aus­gang fand ich mich ne­ben Vries­län­der. Ich
über­leg­te, ob dies der Au­gen­blick sei, mich für das Dar­le­hen zu be­dan­ken.
    »Kom­men Sie«, sag­te er. »Ich ha­be mei­nen
Wa­gen da.«
    »Wo­hin?« frag­te ich in Pa­nik.
    »Zu Bet­ty. Sie hat et­was zu es­sen und zu
trin­ken vor­be­rei­tet.«
    »Ich ha­be nicht so viel Zeit.«
    »Es ist ja Mit­tag. Sie brau­chen nicht lan­ge
zu blei­ben. Nur daß sie sieht, man ist da. Es geht ihr sehr na­he. Je­des Mal.
Sie wis­sen, wie sie ist. Kom­men Sie.«
    Ra­bi­no­witz, die Kol­ler-Mäd­chen, Kahn und
Car­men fuh­ren mit. »Es war die ein­zi­ge Mög­lich­keit, sie da­von ab­zu­hal­ten,
Mol­ler noch ein­mal zu se­hen«, er­klär­te Ra­bi­no­witz. »Wir ha­ben ge­sagt, al­le
wür­den nach der Fei­er zu ihr kom­men. Es war Meyers Idee. Sie ver­fing. Die gu­te
Wir­tin, die sie seit Jahr­zehn­ten ist, sieg­te. Sie ist um sechs Uhr mor­gens
auf­ge­stan­den, um zu ko­chen. Wir ha­ben ihr ge­sagt, daß in der Hit­ze Vor­spei­sen
und ei­ne kal­te Plat­te am bes­ten sei­en. Das dau­ert län­ger, sie vor­zu­be­rei­ten, da
sie wie­der kalt wer­den müs­sen. Sie war be­schäf­tigt bis vor ei­ner Stun­de. Gott
sei Dank. Wie Mol­ler jetzt schon aus­se­hen muß, bei die­ser Hit­ze!«
    Bet­ty kam uns ent­ge­gen. Die
Kol­ler-Zwil­lin­ge gin­gen mit ihr so­fort in die Kü­che, um zu hel­fen. Auf dem
Tisch war das Por­zel­lan auf­ge­stellt. Die schreck­li­che Für­sor­ge war rüh­rend und
nie­der­schmet­ternd. »Es ist das, was man bei ur­tüm­li­che­ren Völ­kern den
Lei­chen­schmaus nennt«, er­klär­te Ra­bi­no­witz. »Üb­ri­gens ei­ne ur­al­te Sit­te ...«
    Er er­ging sich, hin­ge­ris­sen, über den
Ur­sprung die­ser Sit­te in den äl­tes­ten Zei­ten der Mensch­heit.
    Welch

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