E.M. Remarque
Elysees und im Bois. Es wurde mir
nicht schwer, davon zu sprechen, während ich Natascha ansah und merkte, wie
ihre Augen zärtlicher wurden.
Das Essen kam rasch, und in knapp einer
Stunde verabschiedete sich Mrs. Whymper. »Wollen Sie mich morgen nachmittag um
fünf Uhr abholen?« fragte sie mich. »Wir können dann zur Galerie Silvers
gehen.«
»Gern«, sagte ich und wollte noch etwas
erklären, aber Natascha stieß mich unter dem Tisch mit dem Fuß, und ich
schwieg.
Natascha lachte. »Das war schmerzlos, wie?
Du wolltest ihr natürlich erklären, daß du für Silvers nur Kisten aufmachst,
nicht wahr? Nicht nötig. Es gibt hier viele Leute, die sich damit befassen,
reiche hilflose Leute zu beraten und sie zu den Kunsthändlern zu führen, mit
denen sie liiert sind.«
»Schlepper!« sagte ich.
»Berater«, erwiderte Natascha. »Ehrenwerte
Leute, die arme, hilflose Millionäre vor räuberischen Kunsthändlern schützen.
Gehst du zu ihr?«
»Ja«, sagte ich.
»Bravo!«
»Aus Liebe zu dir.«
»Doppeltes Bravo.«
»Offen gestanden, ich würde auch sonst
hingehen. Ich bin bestechlicher, als du glaubst.«
Sie klatschte leicht in die Hände. »Du
wirst allmählich fast reizend.«
»Ein Mensch, wie? Und in deiner
Klassifikation?«
»Noch nicht ganz. Aber ein Denkmal, das
sich bereits bewegt.«
»Es ging alles so überraschend schnell.
Mrs. Whymper weiß doch nichts von mir.«
»Du hast über Dinge gesprochen, die sie
liebt: Paris, den Sommer im Bois, die Seine im Herbst, die Quais, die
Buchläden, dort ...«
»Aber kein Wort über Bilder.«
»Das hat ihr besonders gefallen. Es war
klug von dir. Nichts von Geschäft.«
Wir gingen ganz gemächlich die 54. Straße
entlang. Ich fühlte mich froh und leicht. Wir blieben an einem
Antiquitätenladen stehen, in dem ägyptische Halsketten ausgestellt waren. Sie
leuchteten in Türkisblau, und neben ihnen stand ein großer Ibis. Aus dem
Auktionslokal Savoy kamen Leute, die Teppiche wegtrugen. Es war schön, das
Leben zu fühlen. Wie weit eine Nacht entfernt sein konnte!
»Sehe ich dich heute abend wieder?« fragte
ich.
Sie nickte.
»Im Hotel?«
»Ja.«
Ich ging die Straße zurück. Die Sonne war
staubig. Es roch nach Auspuffgasen, und die Luft war heiß. Ich blieb vor dem
Savoy-Auktionshaus stehen und ging schließlich hinein. Der Raum war halb voll,
und es herrschte eine schläfrige Stimmung. Der Auktionator stand auf einer Art
Kanzel und rief die Angebote aus. Die Auktion der Teppiche war vorbei, es wurden
jetzt Heiligenfiguren versteigert. Auf einer Bühne wurden sie hergetragen und
aufgestellt, eine nach der anderen; es wirkte fast, als würden sie für ein
neues Martyrium vorbereitet. Einige waren noch verschnürt und wurden auf der
Bühne aufs neue ausgepackt. Alles war sehr billig, die bunten Figuren waren
nicht sehr gesucht. In Kriegszeiten werden Heilige eher ins Gefängnis gesteckt.
Ich ging wieder hinaus und betrachtete die Schaufenster. Zwischen schweren
Renaissance-Möbeln standen zwei chinesische Bronzen, eine war eine Ming-Kopie,
das konnte man leicht sehen, die andere aber konnte echt sein. Die Patina war
schlecht und vielleicht sogar überarbeitet, trotzdem war etwas daran, was echt
aussah. Mir schien, daß jemand, der nicht genug verstanden hatte, die Bronze
für eine Kopie gehalten und sie umzufälschen versucht hatte. Ich kehrte in das
dämmerige Lokal zurück und ließ mir einen Katalog der kommenden Auktion geben.
Die Bronzen waren ohne Altersangabe aufgeführt. Unter Zinnkrügen,
Messinggegenständen und anderen billigen Dingen. Sie würden aber nur wenig
kosten, da keine größeren Händler auf einer so harmlosen Auktion zu erwarten
waren.
Ich verließ die Auktion und ging die 54.
Straße
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