Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
Vom Netzwerk:
Trep­pe hin­auf. Aus dem
Ar­beits­zim­mer hör­te ich Cooper mit bar­scher Stim­me Be­feh­le in das Te­le­fon
bel­len. Ich war ge­spannt, ob das Ar­beits­zim­mer ähn­lich ein­ge­rich­tet war wie das
Schlaf­zim­mer: Ein zwei­ter röh­ren­der Hirsch wä­re nicht un­pas­send ge­we­sen.
    In der Tür zur Ter­ras­se blieb ich ste­hen.
Un­ten lag New York in der schwü­len Som­mer­hit­ze wie ei­ne afri­ka­ni­sche Stadt mit
Wol­ken­krat­zern, so weit man se­hen konn­te. Am Ho­ri­zont ahn­te man das Meer. Es
war ei­ne Stadt aus Stei­nen und Stahl, und sie wirk­te als das, was sie war:
nicht all­mäh­lich ent­stan­den und or­ga­nisch ge­wach­sen, nicht mit der Pa­ti­na der
Jahr­hun­der­te, son­dern ent­schlos­sen und rasch hin­ge­baut von ent­schlos­se­nen
Men­schen, die nicht von Tra­di­tio­nen be­hin­dert wa­ren und de­ren obers­tes Ge­setz
nicht Schön­heit, son­dern Zweck­mä­ßig­keit hieß und dar­um wie­der ei­ne neue,
ver­we­ge­ne, an­ti­ro­man­ti­sche, an­ti­klas­si­sche, mo­der­ne Schön­heit. New York muß­te
man von oben se­hen, dach­te ich, nicht von un­ten, den Nacken hoch­ge­r­eckt zu den
Wol­ken­krat­zern. Von oben wirk­ten sie fried­lich, ge­ra­de so, als ob sie da­hin
ge­hör­ten, wie Gi­raf­fen in ei­ner Her­de von Ze­bras, Ga­zel­len und
Rie­sen­schild­krö­ten.
    Ich hör­te Cooper schnau­fend die Trep­pe
her­auf­schlur­fen. »Ha­ben Sie einen Platz ge­fun­den?«
    »Hier«, sag­te ich und wies auf die
Ter­ras­se. »Aber die Son­ne wür­de es bald zer­stö­ren. Ei­ne Tän­ze­rin über die­ser
Stadt, das wä­re et­was. Viel­leicht in den Sa­lon ne­ben­an? An der Wand, die der
Son­ne ab­ge­wandt ist.«
    Wir gin­gen hin­ein. Der Sa­lon war sehr hell,
mit wei­ßen Wän­den und Mö­beln, die mit Chintz be­spannt wa­ren. Auf ei­nem Tisch
stan­den drei chi­ne­si­sche Bron­zen und ein Paar Tang-Tän­ze­rin­nen. Ich blick­te
Cooper an. Was emp­fand er? Hät­te er nicht lie­ber statt der Chou-Bron­zen drei
Trink­hum­pen ge­habt und statt der Tanz-Ter­ra­kot­ten Por­zel­lan­zwer­ge? »Dort«,
sag­te ich. »An der Wand hin­ter den Bron­zen. Die grün­blaue Pa­ti­na der Bron­zen hat
den­sel­ben Ton wie der Tu­tu der Tän­ze­rin.«
    Cooper äug­te und schnauf­te im­mer noch. Ich
hielt das Bild ge­gen die Wand. »Dann muß man ein Loch in die Wand ma­chen«,
sag­te er schließ­lich. »Und wenn man das Bild spä­ter mal weg­nimmt, ist das Loch
da.«
    »Sie kön­nen dann auch ein an­de­res Bild
hin­hän­gen«, sag­te ich und be­trach­te­te Cooper er­staunt. »Au­ßer­dem kann man das
Loch wie­der so zu­gip­sen, daß man es kaum sieht.« Welch ein Pfen­nig­fuch­ser! Aber
so hat­te er wahr­schein­lich sei­ne Mil­lio­nen ge­macht. Son­der­ba­rer­wei­se är­ger­te
mich das nicht, der röh­ren­de Hirsch im Schlaf­zim­mer ver­söhn­te mich mit al­lem.
Für Cooper war al­les an­de­re in sei­ner Woh­nung leicht feind­lich, und er ver­stand
es nicht ganz. Eben­so we­nig, wie er ei­gent­lich ver­stand, daß man so viel Geld
da­für aus­ge­ben konn­te. Das war auch der Grund, warum er mich aus­fra­gen woll­te.
Er trau­te der Kom­bi­na­ti­on Kunst-Geld nicht recht, und dar­in traf er sich so­gar
mit den wirk­li­chen Lieb­ha­bern.
    Cooper ent­schied sich schließ­lich. »Aber
ma­chen Sie ein klei­nes Loch.«
    »Das kleins­te, das mög­lich ist. Se­hen Sie
die­se bei­den Pa­tent­ha­ken: Sie brau­chen nur einen dün­nen Na­gel und tra­gen
trotz­dem ein großes Bild.«
    Ich war rasch da­mit fer­tig. Cooper blieb
miß­trau­isch bei mir. Ich nahm mir den­noch Zeit, die chi­ne­si­schen Bron­zen zu
be­trach­ten und in die Hand zu neh­men. So­fort fühl­te ich die sanf­te Wär­me der
Pa­ti­na, die gleich­zei­tig kühl zu sein schi­en. Es wa­ren sehr schö­ne Bron­zen, und
sie ga­ben mir ein son­der­ba­res Ge­fühl von fins­term Zu­hau­se­sein, sie wa­ren so
voll­kom­men, daß sie nichts an­de­res ver­mit­tel­ten, als eben voll­kom­men zu sein,
die­ses un­be­schreib­li­che Ge­fühl, das man einen Au­gen­blick hat, wenn man
be­greift, daß die­ser Hor­de von rast­lo­sen, blut­jun­gen, kurz­le­bi­gen Wan­de­rern
über den Glo­bus et­was ge­glückt ist, das mit der Il­lu­si­on

Weitere Kostenlose Bücher