E.M. Remarque
Treppe hinauf. Aus dem
Arbeitszimmer hörte ich Cooper mit barscher Stimme Befehle in das Telefon
bellen. Ich war gespannt, ob das Arbeitszimmer ähnlich eingerichtet war wie das
Schlafzimmer: Ein zweiter röhrender Hirsch wäre nicht unpassend gewesen.
In der Tür zur Terrasse blieb ich stehen.
Unten lag New York in der schwülen Sommerhitze wie eine afrikanische Stadt mit
Wolkenkratzern, so weit man sehen konnte. Am Horizont ahnte man das Meer. Es
war eine Stadt aus Steinen und Stahl, und sie wirkte als das, was sie war:
nicht allmählich entstanden und organisch gewachsen, nicht mit der Patina der
Jahrhunderte, sondern entschlossen und rasch hingebaut von entschlossenen
Menschen, die nicht von Traditionen behindert waren und deren oberstes Gesetz
nicht Schönheit, sondern Zweckmäßigkeit hieß und darum wieder eine neue,
verwegene, antiromantische, antiklassische, moderne Schönheit. New York mußte
man von oben sehen, dachte ich, nicht von unten, den Nacken hochgereckt zu den
Wolkenkratzern. Von oben wirkten sie friedlich, gerade so, als ob sie dahin
gehörten, wie Giraffen in einer Herde von Zebras, Gazellen und
Riesenschildkröten.
Ich hörte Cooper schnaufend die Treppe
heraufschlurfen. »Haben Sie einen Platz gefunden?«
»Hier«, sagte ich und wies auf die
Terrasse. »Aber die Sonne würde es bald zerstören. Eine Tänzerin über dieser
Stadt, das wäre etwas. Vielleicht in den Salon nebenan? An der Wand, die der
Sonne abgewandt ist.«
Wir gingen hinein. Der Salon war sehr hell,
mit weißen Wänden und Möbeln, die mit Chintz bespannt waren. Auf einem Tisch
standen drei chinesische Bronzen und ein Paar Tang-Tänzerinnen. Ich blickte
Cooper an. Was empfand er? Hätte er nicht lieber statt der Chou-Bronzen drei
Trinkhumpen gehabt und statt der Tanz-Terrakotten Porzellanzwerge? »Dort«,
sagte ich. »An der Wand hinter den Bronzen. Die grünblaue Patina der Bronzen hat
denselben Ton wie der Tutu der Tänzerin.«
Cooper äugte und schnaufte immer noch. Ich
hielt das Bild gegen die Wand. »Dann muß man ein Loch in die Wand machen«,
sagte er schließlich. »Und wenn man das Bild später mal wegnimmt, ist das Loch
da.«
»Sie können dann auch ein anderes Bild
hinhängen«, sagte ich und betrachtete Cooper erstaunt. »Außerdem kann man das
Loch wieder so zugipsen, daß man es kaum sieht.« Welch ein Pfennigfuchser! Aber
so hatte er wahrscheinlich seine Millionen gemacht. Sonderbarerweise ärgerte
mich das nicht, der röhrende Hirsch im Schlafzimmer versöhnte mich mit allem.
Für Cooper war alles andere in seiner Wohnung leicht feindlich, und er verstand
es nicht ganz. Ebenso wenig, wie er eigentlich verstand, daß man so viel Geld
dafür ausgeben konnte. Das war auch der Grund, warum er mich ausfragen wollte.
Er traute der Kombination Kunst-Geld nicht recht, und darin traf er sich sogar
mit den wirklichen Liebhabern.
Cooper entschied sich schließlich. »Aber
machen Sie ein kleines Loch.«
»Das kleinste, das möglich ist. Sehen Sie
diese beiden Patenthaken: Sie brauchen nur einen dünnen Nagel und tragen
trotzdem ein großes Bild.«
Ich war rasch damit fertig. Cooper blieb
mißtrauisch bei mir. Ich nahm mir dennoch Zeit, die chinesischen Bronzen zu
betrachten und in die Hand zu nehmen. Sofort fühlte ich die sanfte Wärme der
Patina, die gleichzeitig kühl zu sein schien. Es waren sehr schöne Bronzen, und
sie gaben mir ein sonderbares Gefühl von finsterm Zuhausesein, sie waren so
vollkommen, daß sie nichts anderes vermittelten, als eben vollkommen zu sein,
dieses unbeschreibliche Gefühl, das man einen Augenblick hat, wenn man
begreift, daß dieser Horde von rastlosen, blutjungen, kurzlebigen Wanderern
über den Globus etwas geglückt ist, das mit der Illusion
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