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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schatten im Paradies
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hin­un­ter zur Zwei­ten Ave­nue. Von dort bog ich rechts ab und ging wei­ter,
bis ich in die Ge­gend der Brü­der Lowy kam. Ich dach­te dar­über nach, die Bron­ze
selbst zu kau­fen und sie dann an Lowy se­ni­or wei­ter­zu­ver­kau­fen. Ich war si­cher,
daß er sie nicht be­merkt hat­te zwi­schen den Zinnkrü­gen und den schwe­ren Mö­beln.
Dann dach­te ich an Na­ta­scha und den Abend, an dem sie mich im Rolls-Roy­ce ins
Ho­tel ge­bracht hat­te. Ich hat­te mich über­stürzt ver­ab­schie­det und war auch den
letz­ten Teil der Fahrt sehr schweig­sam ge­we­sen, weil ich nach­ge­dacht hat­te, wie
ich aus dem Lu­xus­ge­fährt ent­kom­men könn­te.
    Der kind­li­che Grund war ge­we­sen, daß ich
drin­gend aus­tre­ten muß­te. Da das aber in New York un­end­lich viel schwie­ri­ger
war als in Pa­ris, hat­te ich durch­zu­hal­ten ver­sucht, hat­te da­für aber kei­ne Zeit
zu großem Ab­schied mehr ge­habt. Na­ta­scha hat­te mir ent­rüs­tet nach­ge­se­hen, und
ich hat­te mich, nach der ers­ten Er­leich­te­rung, sehr über mich ge­är­gert und
ge­glaubt, wie­der al­les ver­patzt zu ha­ben. Dann al­ler­dings, am nächs­ten Tag, war
mir ge­ra­de die Tat­sa­che, daß ich lie­ber lei­den und durch­hal­ten woll­te, an­statt
den Chauf­feur zum nächs­ten Ho­tel zu di­ri­gie­ren und Na­ta­scha im Au­to war­ten zu
las­sen, als ein um­ge­kehr­tes Zei­chen von Ro­man­tik er­schie­nen, und ich hat­te das
zwar für al­bern, aber doch auch für ein Zei­chen der Zu­nei­gung ge­hal­ten und
des­we­gen ei­ne un­er­war­te­te Zärt­lich­keit emp­fun­den. Ich dach­te jetzt mit
der­sel­ben Zärt­lich­keit wie­der dar­an, als ich vor Lowys La­den an­kam. Ich sah
Lowy ju­ni­or zwi­schen zwei weiß­ge­mal­ten Louis-XVI.-Ses­seln ste­hen und träu­mend
auf die Stra­ße star­ren, gab mir einen Ruck, ver­zich­te­te auf mein ers­tes
selb­stän­di­ges Ge­schäft und trat ein.
    »Wie geht es, Herr Lowy?« frag­te ich
vor­sich­tig in neu­tra­lem Ton, um bei die­sem Ro­man­ti­ker nicht gleich an­zu­sto­ßen.
    »Gut! Mein Bru­der ist nicht da. Er ißt
ko­scher, das wis­sen Sie ja! Ich nicht«, füg­te er sanft fun­kelnd hin­zu. »Ich
es­se ame­ri­ka­nisch.«
    Die Lowy-Zwil­lin­ge er­in­ner­ten mich an die
be­rühm­ten ori­gi­nal­sia­me­si­schen Zwil­lin­ge, von de­nen ei­ner ein Ab­sti­nenz­ler und
der an­de­re ein Säu­fer war. Da sie den­sel­ben Blut­kreis­lauf hat­ten, muß­te der
un­glück­li­che Ab­sti­nenz­ler nicht nur die Räusche, son­dern auch die dar­auf
fol­gen­den Ka­ter sei­nes ver­sof­fe­nen Bru­ders aus­hal­ten. Wie im­mer litt die
Tu­gend. So war bei den Lowys der ei­ne ein or­tho­do­xer, der an­de­re ein
frei­den­ken­der Ju­de.
    »Ich ha­be ei­ne Bron­ze ge­fun­den«, sag­te ich.
»Sie kommt auf ei­ne bil­li­ge Auk­ti­on.«
    Lowy ju­ni­or wink­te ab. »Sa­gen Sie das
mei­nem fa­schis­ti­schen Bru­der, ich ha­be jetzt kei­nen Sinn fürs Ge­schäft. Bei mir
geht es ums Le­ben.« Er wand­te sich mit ei­nem Ent­schluß mir zu: »Sa­gen Sie
ehr­lich, was ra­ten Sie mir: Hei­ra­ten oder nicht hei­ra­ten?«
    Das war ei­ne Fang­fra­ge, ich konn­te mit Ja
oder Nein nur ver­lie­ren. »Was sind Sie astro­lo­gisch?« frag­te ich zu­rück.
    »Was?«
    »Wann sind Sie ge­bo­ren?«
    »Was hat das da­mit zu tun? Am 12. Ju­li.«
    »Das dach­te ich mir. Sie sind Krebs.
Hoch­emp­find­lich, fa­mi­li­en­lie­bend, künst­le­risch.«
    »Soll ich hei­ra­ten?«
    »Kreb­se kom­men schwer los. Sie hal­ten fest,
bis man ih­nen die Sche­ren ab­reißt.«
    »Was für ein scheuß­li­ches Bild.«
    »Das Bild ist nur sym­bo­lisch. In die
Spra­che der Psy­cho­ana­ly­ti­ker über­tra­gen heißt es nur so­viel wie: bis man ih­nen
die Ge­schlechts­or­ga­ne aus­reißt.«
    »Nur?« ze­ter­te Lowy. »Las­sen wir das!
Ein­fach und schlicht: Soll ich hei­ra­ten?«
    »Im ka­tho­li­schen Ita­li­en wür­de ich Ih­nen
ra­ten: Nein. In Ame­ri­ka ist es ein­fa­cher: Sie kön­nen sich wie­der schei­den
las­sen.«
    »Wer spricht von Schei­den­las­sen? Ich
spre­che von Hei­ra­ten.«
    Mein bil­li­ger Scherz, daß das fast das­sel­be
sei, wur­de mir er­spart. Eben­so der bil­li­ge Rat, daß, wer da­nach frag­te, es
las­sen

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