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E.M. Remarque

E.M. Remarque

Titel: E.M. Remarque Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arc de Triomphe
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wirst
schon vor­wärts­kom­men.«
    Sie beug­te sich vor. »Glaubst du?«
    »Be­stimmt.«
    »Wirk­lich, Ra­vic?«
    Er stand auf. Noch drei Mi­nu­ten, und er wür­de in ei­nem
Fach­ge­spräch über Film sein. Man darf mit ih­nen nicht dis­ku­tie­ren, dach­te er.
Man kommt im­mer als Ver­lie­rer her­aus. Lo­gik ist Wachs in ih­ren Hän­den. Man soll
han­deln, fer­tig.
    »So mein­te ich das nicht«, sag­te er. »Da fragst du bes­ser
dei­nen Spe­zia­lis­ten.«
    »Willst du schon ge­hen?« frag­te sie.
    »Ich muß.«
    »Warum bleibst du nicht noch?«
    »Ich muß zur Kli­nik zu­rück.«
    Sie nahm sei­ne Hand und sah zu ihm auf. »Du sag­test
vor­hin, du wä­rest fer­tig in der Kli­nik, wenn du kämest.«
    Er über­leg­te, ob er ihr sa­gen soll­te, er käme nicht
wie­der. Aber es war ge­nug für heu­te. Es war ge­nug für sie und ihn. Das hat­te
sie im­mer­hin ver­hin­dert. Aber es wür­de von selbst kom­men. »Bleib hier, Ra­vic«,
sag­te sie.
    »Ich kann nicht.«
    Sie stand auf und lehn­te sich dicht an ihn. Das auch
noch, dach­te er. Das al­te Spiel. Bil­lig und er­probt. Sie läßt nichts aus. Aber
wer will von ei­ner Kat­ze ver­lan­gen, daß sie Gras frißt? Er mach­te sich los.
»Ich muß. In der Kli­nik liegt ein Mann und stirbt.«
    »Ärz­te ha­ben im­mer gu­te Grün­de«, sag­te sie lang­sam und
sah ihn an.
    »Wie Frau­en, Jo­an. Wir ver­wal­ten den Tod und ihr die
Lie­be. Dar­in sind al­le Grün­de und al­les Recht der Welt.«
    Sie ant­wor­te­te nicht.
    »Wir ha­ben auch gu­te Mä­gen«, sag­te Ra­vic. Wir brau­chen
sie. Sonst könn­ten wir es nicht. Wo an­de­re ohn­mäch­tig wer­den, da fan­gen wir an,
uns zu be­le­ben. Adieu, Jo­an.«
    »Du kommst wie­der, Ra­vic?«
    »Denk nicht dar­über nach. Nimm dir dei­ne Zeit. Du wirst
es selbst her­aus­fin­den.«
    Er ging rasch zur Tür und blick­te sich nicht mehr um. Sie
folg­te ihm nicht. Aber er wuß­te, daß sie ihm nachsah. Er fühl­te sich son­der­bar
taub – als gin­ge er un­ter Was­ser.

22
    22    Der
Schrei kam aus dem Fens­ter der Fa­mi­lie Gold­berg. Ra­vic horch­te einen
Au­gen­blick. Es schi­en ihm ziem­lich un­mög­lich, daß der al­te Gold­berg sei­ner Frau
et­was an den Kopf ge­wor­fen oder sie ge­schla­gen hat­te. Er hör­te auch nichts
wei­ter. Nur ein Ren­nen, dann ein auf­ge­reg­tes Ge­spräch im Zim­mer des Emi­gran­ten
Wie­sen­hoff und Tü­ren­klap­pen.
    Gleich dar­auf klopf­te es an sei­ner Tür, und die
Pro­prie­taire stürz­te her­ein. »Rasch – rasch – Mon­sieur Gold­berg ...«
    »Was?«
    »Er­hängt. Am Fens­ter. Rasch ...«
    Ra­vic warf sein Buch weg. »Ist Po­li­zei da?«
    »Na­tür­lich nicht. Sonst hät­te ich Sie nicht ge­ru­fen! Sie
hat ihn ge­ra­de erst ge­fun­den.«
    Ra­vic lief die Trep­pen mit ihr her­un­ter. »Hat man ihn
ab­ge­schnit­ten?«
    »Noch nicht. Sie hal­ten ihn ...«
    In dem dämm­ri­gen Zim­mer stand ei­ne dunkle Grup­pe am
Fens­ter. Ruth Gold­berg, der Em­gi­rant Wie­sen­hoff und noch je­mand. Ra­vic dreh­te
das Licht an. Wie­sen­hoff und Ruth Gold­berg hat­ten den al­ten Gold­berg in den
Ar­men wie ei­ne Pup­pe, und der drit­te Mann ver­such­te ner­vös, den Kno­ten ei­ner
Kra­wat­te zu lö­sen, die am Fens­ter­griff be­fes­tigt war.
    »Schnei­den Sie ihn ab ...«
    »Wir ha­ben kein Mes­ser hier«, schrie Ruth Gold­berg.
    Ra­vic hol­te ei­ne Sche­re aus sei­ner Ta­sche und schnitt.
Die Kra­wat­te war aus di­cker, schwe­rer, glat­ter Sei­de, und es dau­er­te ein paar
Se­kun­den, ehe sie durch­schnit­ten war. Ra­vic hat­te Gold­bergs Ge­sicht da­bei dicht
vor sich. Die her­aus­ge­quol­le­nen Au­gen, den of­fe­nen Mund, den dün­nen, grau­en
Bart, die of­fe­ne Zun­ge, die dun­kel­grü­ne Kra­wat­te mit wei­ßen Punk­ten, die tief
in den schrum­pe­lig ge­bläh­ten Hals ein­schnitt. – Der Kör­per schwank­te leicht in
den Ar­men Wie­sen­hoffs und Ruth Gold­bergs, als wie­ge er sich in ei­nem
schreck­li­chen, er­starr­ten Ge­läch­ter laut­los hin und her.
    Ruth Gold­bergs Ge­sicht war rot und trä­nen­über­strömt, und
ne­ben ihr schwitz­te Wie­sen­hoff un­ter der Last des Kör­pers, der schwe­rer war als
je im Le­ben. Zwei nas­se, ent­setz­te, stöh­nen­de Ge­sich­ter und dar­über,
schwei­gend, der

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