E.M. Remarque
gerade jetzt erst
gekommen.«
Er nahm ihre Hände. »Ich gehe, Joan. Für immer. Du lebst
mit jemand anderem. Und ich teile Frauen, die ich liebe, nicht mit anderen
Männern.«
Sie riß ihre Hände los. »Was? Was sagst du da? Ich … wer
hat dir denn das erzählt? So etwas!« Sie starrte ihn an. »Ich kann mir schon
denken! Morosow natürlich, dieser ...«
»Kein Morosow! Mir braucht niemand etwas zu erzählen. Es
erzählt sich von selbst.«
Ihr Gesicht war plötzlich voll bleicher Wut. Sie war
schon sicher gewesen, und jetzt kam es doch. »Ich weiß schon! Weil ich diese
Wohnung habe und nicht mehr in der Scheherazade bin! Da muß natürlich gleich
einer da sein, der mich aushält! Natürlich! Anders geht es ja nicht!«
»Ich habe nicht gesagt, daß dich jemand aushält.«
»Es ist dasselbe. Ich verstehe schon! Erst bringst du
einen in diese Nachtklubbude hinein, dann läßt du mich allein, und wenn man
dann einmal mit jemand redet oder jemand kümmert sich um einen, dann heißt es
gleich, man wird ausgehalten! So ein Portier hat ja nichts anderes als eine
schmutzige Phantasie! Daß man selber etwas ist und selber arbeiten und etwas
werden kann, geht natürlich nicht in diese Trinkgeldseele hinein! Und du, du,
ausgerechnet du kommst damit an! Daß du dich nicht schämst!«
Ravic drehte sie um, packte sie an den Armen, hob sie
hoch und warf sie über das Fußende hinüber auf das Bett. »So!« sagte er. »Und
nun hör auf mit diesem Unsinn!«
Sie war so überrascht, daß sie liegenblieb. »Willst du
mich nicht auch schlagen?« fragte sie dann.
»Nein. Ich will nur, daß dieses Geschwätz aufhört.«
»Es sollte mich nicht wundern«, sagte sie leise und
gepreßt. »Es sollte mich nicht wundern.«
Sie lag still da. Ihr Gesicht war leer und weiß, der Mund
war blaß, und ihre Augen glänzten leblos wie Glas. Ihre Brust war halb offen,
und ein Bein hing nackt über die Ecke des Bettes. »Ich rufe dich an«, sagte
sie, »ahnungslos, ich freue mich, ich will mit dir zusammen sein – und dann
kommt so etwas! So etwas!« wiederholte sie verächtlich. »Und ich dachte, du
wärest anders!«
Ravic stand an der Tür
des Schlafzimmers. Er sah den Raum mit seiner falschen Einrichtung, er sah Joan
auf dem Bett liegen, und er sah, wie gut das alles zusammen paßte. Er ärgerte
sich, daß er etwas gesagt hatte. Er hätte gehen sollen, ohne etwas zu sagen,
und damit Schluß. Aber dann wäre sie zu ihm gekommen, und es wäre dasselbe
gewesen.
»Du«, wiederholte sie. »Von dir hätte ich das nicht
erwartet. Ich dachte, du wärest anders.«
Er antwortete nicht. Es war alles so billig, daß es fast
unerträglich war. Er begriff plötzlich nicht mehr, daß er drei Tage lang
geglaubt hatte, wenn sie nicht wiederkäme, könne er nie mehr schlafen. Was ging
ihn das alles noch an? Er zog eine Zigarette hervor und zündete sie an. Sein
Mund war trocken. Er hörte, daß das Grammophon immer noch spielte. Es wiederholte
die Platte, die es am Anfang gespielt hatte: J’attendrai. – Er ging in das
Nebenzimmer und stellte es ab.
Sie lag unbeweglich da, als er zurückkam. Es schien, als
hätte sie sich nicht bewegt. Aber das Dressing-gown war weiter offen als
vorher. »Joan«, sagte er, »je weniger wir darüber reden, desto besser ...«
»Ich habe nicht angefangen.«
Er hätte ihr am liebsten eine Flasche Parfüm an den Kopf
geworfen. »Das weiß ich«, sagte er. »Ich habe angefangen, und ich höre jetzt
auf.«
Er drehte sich um und ging. Aber bevor er an der Tür des
Studios war, stand sie vor ihm. Sie schlug die Tür zu und stellte sich davor,
die Arme und Hände gegen das Holz gepreßt. »So!« sagte sie. »Du hörst auf! Du
hörst auf und gehst. Das ist einfach, was? Aber ich habe noch etwas zu sagen!
Ich habe noch viel zu sagen! Du, du selbst hast mich gesehen in der Cloche
d’Or, du hast gesehen, mit wem ich war, und als ich nachts zu dir kam,
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